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Der fliegende Weihnachtskater

Der fliegende Weihnachtskater

Titel: Der fliegende Weihnachtskater
Autoren: Andrea Schacht
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Blick nicht von den Instrumenten. Sie lächelte nachsichtig und erzählte weiter: »Sehen Sie, meine Großmutter lebt in Indien, in Jaipur, und siehabe ich vor einem Jahr um die Weihnachtszeit besucht.«
    »Oh, ja, das kann man wohl als ein wenig verstreut in der Welt bezeichnen.« Jetzt lächelte Thomas auch. »Meine Leute leben auch an sehr unterschiedlichen Orten.«
    »Ja, und ich zähle jetzt lieber nicht auf, wo sich meine Eltern und mein Bruder herumtreiben. Jedenfalls – ich fand dort bei diesem Besuch auf dem Bazar einen wunderschönen Teppich. Einen antiken Seidenteppich, um es genau zu sagen. Ich handelte, kaufte ihn schließlich und ließ ihn am Tag vor meiner Abreise zum Flughafen bringen. Er wurde zusammengerollt, in einen Überzug gesteckt und als Fracht an Bord genommen. Die Überraschung kam, als ich ihn nach der Landung abholen wollte. Da sprach mich nämlich eine Bekannte aus dem Zolllager an. Sie hatten in dieser Teppichrolle ein halb verhungertes Kätzchen gefunden. Sie wusste, dass ich Katzen sehr mag – meine Meena war vor einiger Zeit gestorben. Na, sie hatte recht, ich empfand sofort Mitleid mit dem abgemagerten Tierchen. Man hätte es vermutlich eingeschläfert – eine indische Streunerkatze. Also beging ich zusammen mit meiner Komplizin ein kleines Verbrechen. Ich packte den leise protestierenden Kater in eine feste Beuteltasche und schmuggelte ihn mit nach Hause. Gedankt hat er es mir allerdings bis heute nicht. Er ist ein sehr unfreundlicher Geselle,eigensinnig und stur. Er lässt sich nicht gerne anfassen, und den Teppich verprügelt er regelmäßig jeden Tag.«
    »Dann gibt er diesem Teppich wohl die Schuld an der Entführung, was?«
    »Na ja, möchten Sie im Frachtraum in einen Teppich eingewickelt einen Achtzehn-Stunden-Flug mitmachen?«
    »Bestimmt nicht. Aber Ihnen müsste er wirklich dankbar sein, dass Sie ihm das Leben gerettet haben.«
    »Warum sollte er? Ich bin mir sicher, dass Katzen ein anderes Verständnis für Zusammenhänge haben als wir Menschen. In seinen Augen habe ich ihn vermutlich böswillig aus seinem angestammten Revier entführt und in meiner Wohnung eingesperrt. Er zeigt mir sogar überdeutlich, wie sehr er das hiesige Katzenfutter verabscheut.«
    »Ein wenig Curry-Pulver darüber wäre vielleicht hilfreich?«
    Amita rümpfte die Nase.
    »Sie pflegen Vorurteile. Nein, nein, Sharduls Napf ist abends immer leer, und Sahne weiß er auch zu schätzen. Er hat nur so seine Angewohnheiten, mich mit Verachtung zu strafen. Heute früh hat er sogar auf diesen armen Teppich gepinkelt. Aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Der kleinen Tochter des Nachbarn gegenüber zeigt er eine gewisse Zutraulichkeit.«
    Der Tower meldete sich, der Flugzeugschlepper zog sie vom Gate weg.
    Amita begann mit den Vorbereitungen, um die Turbinen zu starten, Thomas prüfte noch einmal die neuesten Wettermeldungen. In Berlin herrschten Schneefall und heftige Böen. Seine Stimme klang wieder angestrengt, als er bemerkte, es würde wohl ein ruppiger Flug werden.
    Amita gab ein beruhigendes Brummen von sich, während sie das Flugzeug auf den Taxiway lenkte. Wenn Thomas Probleme bekam, würde sie schon zu helfen wissen. Für sie war es nicht der erste Flug bei schlechtem Wetter.

Weihnachtsstimmung
     
     
    Ich hatte es mir auf dem Sessel gemütlich gemacht und wanderte im Geiste, Erinnerungen nachhängend, durch mein altes Revier. Ach, all die leuchtenden Farben, die feinen Texturen, das Murmeln und Feilschen, das Gluckern der Wasserpfeifen, die vielfältigen Aromen, die sich zwischen den aufgestapelten Teppichen breitmachten. Nach fetten Weidetieren rochen die wollenen Teppiche, nach trockenen, sonnenwarmen Tagen die Baumwollgewebe, am schönsten aber war der kühle, hauchfeine Duft der seidenen Teppiche mit ihren Edelsteinfarben. Dazwischen zogen die Schwaden aus denGarküchen, das Gebratene, Würzige, das heimlich gestohlene Genüsse versprach, die warmen, umhüllenden Düfte, die mich aus raschelnden Saris anwehten. Rosen und Jasmin, Patchouli und Myrrhe. Sanfte Stimmen, leise klimpernde Armreifen, geflüsterte Liebkosungen. Die verlockende Witterung rolliger Katzen zwischen weichen, pfotenschmeichelnden Stoffen. Dann ein Lager neben dem Alten mit seiner gurgelnden Pfeife und dem betäubenden Rauch, der mir unbeschreibliche Träume bescherte. Träume, in denen ich hoch oben über dem Bazar schwebte, in denen ich über das Land glitt, die glitzernden Flüsse, die weiten, grünen Felder,
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