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Der fliegende Weihnachtskater

Der fliegende Weihnachtskater

Titel: Der fliegende Weihnachtskater
Autoren: Andrea Schacht
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auf die Dachterrasse zu gehen. Hafterleichterung hatte sie es spöttisch genannt. Häme pur. Echt!
    Ich war ein paar Mal auf die Balkonbrüstung gesprungen und hatte die Lage sondiert. Möglicherweise ergab sich von dort eine Fluchtmöglichkeit. Einen hohenSprung hätte ich gewagt, denn eine Katze fällt immer auf die Füße. Aber da unten sah es ziemlich hart aus. Wäre es eine Wiese gewesen, ich hätte den Satz in die Freiheit wohl gewagt. Doch auf dem Pflaster standen so dumme Blumenkübel und Fahrräder herum. Die Vorstellung, mit dem Kopf darauf zu knallen, behagte mir nicht. Zu jener Zeit verfluchte ich den Teppich mit ganz besonderer Inbrunst. Hätte er getan, wozu er verpflichtet war, wäre es mir ein Leichtes gewesen, der Wohnung und der Frau zu entkommen. Vor allem, weil die an manchen Tagen das Fenster ganz weit offen ließ und sich auf einer Liege von der Sonne braten ließ. Höchst ungesund – ich zog an solchen Tagen gepflegten Schatten vor.
    Nur einmal, da hätte ich es fast geschafft zu entkommen.
    Im Frühjahr war nämlich das Mädchen aufgetaucht. Und während die Frau mit ihren grässlichen Maschinen durch die Luft flog, kam sie oft zu mir und unterhielt sich mit mir. Das war schon okay. Ich bin nicht grundsätzlich menschenfeindlich.
    Und das Mädchen war leicht zu überreden. Kleine Mädchen sind das fast immer. Und ich kann charmant sein, wenn ich will. Können Sie jeden im Bazar fragen.
    Na ja, fast jeden …
    Kurzum, das Mädchen war ein kleiner Lichtblick in meiner trüben Existenz. Sie war verspielt, hörte mir zu,wusste, wie man den Kühlschrank aufmachte und den Inhalt der Sahnedosen in Näpfe goss. Sie plapperte auch viel, wodurch ich erfuhr, dass sie einen Vater hatte.
    Väter sind was Menschliches. Uns Katzen sind Väter schnurz.
    Jedenfalls macht dieser Menschenvater den Eindruck, als sei auch er mit der Frau verfeindet. Was mich nicht sonderlich wunderte. Die miese Entführerin.
    Immerhin erlaubte sie es, dass das Mädchen mich mit in ihr Revier nahm. Das war mal was anderes. Auch wenn es nur eine Menschenbehausung war. Aber es roch anders, die Teppiche fühlten sich anders an – ich untersuchte sie natürlich augenblicklich, ob einer dabei war, der möglicherweise gehorsamer war als meiner, aber die waren nur dekorative Lappen. Den Mann umkreiste ich einige Male, fand, dass er so übel nicht war. Er erinnerte mich an einen der Aufseher im Bazar. Der sorgte immer für Ordnung, blaffte auch mal ein paar Leute an, die ihre Waren nicht in Ordnung hielten, war aber auch immer zu einem Scherz aufgelegt. Es gab andere, die blafften nur. Denen gehorchte keiner. Und erst recht keine Katze.
    Kurzum, er schien mir weniger unangenehm als die Frau, und darum ließ ich mich dazu herab, seine Hand zu beschnüffeln. Warum er mich Bunny-Cat nannte, war mir zunächst rätselhaft, bis das Mädchen mir den Plüschhasen mit den großen Ohren zeigte.
    Ja, meine sind schön und groß und hören daher hervorragend.
    Aber ein Hase bin ich wirklich nicht.
    Bunny-Cat. Also wirklich.
    Fast hätte er bei mir auch verschissen gehabt.
    Doch dann ergab sich eines Tages die Gelegenheit!
    Die Tür zur Terrasse – man konnte sie schieben – war einen kleinen Spalt weit offen geblieben, das Mädchen war mit irgendeinem Krickelkram in ihren Heften beschäftigt, und ich wandte alle meine nicht unbeträchtliche Geschicklichkeit auf, den Spalt zu vergrößern. Es klappte, Nase und Ohren passten durch, ich nichts wie raus.
    Das war mal was, dachte ich am Anfang. Drei Tage streunte ich durch die Gegend, setzte meine Markierungen, haute mich mit anderen Revierbesitzern, inspizierte die Abfälle, fand ein paar Mäuse und ignorierte gewissenhaft alle Rufe nach einem Wesen namens Shardul.
    Weiter und weiter zog ich meine Kreise, übte Vorsicht vor einer Straße, auf der die Autos vorbeirasten – bloß nicht unter die Räder kommen, das lernt man früh. Oder man stirbt. Ich stromerte durch Gärten, mied aber die Menschen, jagte hier und da oder bediente mich an Esswaren, die man draußen aufhob.
    Das allerdings erwies sich als böser Fehler.
    Etwas muss dabei gewesen sein, dass nicht für Katzenmägen geeignet war. Also raus damit. Macht unsKatzen ja nicht viel aus, schlechte Nahrung wieder hochzuwürgen. Aber diesmal wollte das Würgen nicht aufhören. Mir war andauernd übel, ich begann, mich wirklich elend zu fühlen, und darum kroch ich dahin zurück, wo ich mich einigermaßen auskannte – zu dem Haus der Frau und dem
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