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Der fliegende Weihnachtskater

Der fliegende Weihnachtskater

Titel: Der fliegende Weihnachtskater
Autoren: Andrea Schacht
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Fluglotse meldete sich wieder.
    »Nein, die Landebahn schaffen wir nicht. Ich versuche, auf dem Wannsee zu wassern«, gab Amita mit beherrschter Stimme durch.
     
    Ich kreischte: »Sesam erhebe dich!«
    Der Teppich zuckte, ein Zipfel hob ab. Dann die ganze Breitseite. Gerade noch konnte ich meine Tatzen in die Fransen krallen, schon ging es los. Mühsam krabbelte ich hinauf, versuchte eine Stelle in der Mittezu finden, so dass mein Gewicht den Teppich nicht zu sehr neigte. Mann, hatte der einen Zahn drauf!
    Schneeflocken fegten mir um die Ohren. Ich machte mich platt, klammerte mich mit allen vier Pfoten in dem Gewebe fest.
    Ja, es war Fliegen. Und nein, es war kein Genuss. Unter mir Straßen, beleuchtet, leer. Rauch aus Kaminen, ein paar rote Rücklichter. Wohin?
    Ich spürte unter meinem Bauch ein feines Vibrieren. Das musste der Silberfaden sein.
    Amita.
    An sie sollte ich denken. Dann fand er seinen Weg.
    Ich dachte an sie. An ihre grünen Katzenaugen, die mich oft so sehnsuchtsvoll angesehen hatten. An ihre Stimme, mit der sie so zärtlich schnurren konnte. An ihre Wärme.
    Der Teppich ging in eine steile Kurve, schoss nach oben.
    Irgendwo rauschte es in der Luft wie von einem gewaltigen Vogel.

16:20 Uhr
     
     
    »Wannsee!«, sagte die Controllerin.
    Remo sagte gar nichts. Er rannte los. Ihm war heiß und kalt gleichzeitig. Der Aufzug war elend langsam. Endlich unten stürmte er nach draußen.
    Wollte zu seinem Wagen im Parkhaus.
    Ein Rettungswagen rollte an ihm vorbei. Er sprang ihm in den Weg. Winkte.
    Der Fahrer hielt, brüllte ihn an.
    »Nehmt mich mit!«
    »Hau ab!«
    »Im Flugzeug – mein Kind, meine Frau, die Pilotin.«
    »Steig ein.«
    Er erklomm den Rücksitz.
    Blaulicht zuckte, die Sirene heulte.
    Schneeflocken huschten im Scheinwerferlicht vor ihnen zur Seite.
    Genau wie die anderen Fahrzeuge.
    Die Autobahn – fast leer. Er war Heiligabend.
    Gott, so unheilig wie dieser war noch nie ein Abend gewesen.
    Das Funkgerät rauschte.
    Vor ihnen bog ein weiteres Rettungsfahrzeug auf die Autobahn.
    Remo drückte die Faust an seinen Mund.

16:25 Uhr
     
     
    Amita war kalt vor Angst. Doch um Janinas Willen versuchte sie, äußerlich ihren Gleichmut zu bewahren. Thomas war zu nichts mehr zu gebrauchen.
    Nebel, Schneegestöber – keine Sicht.
    Irgendwo da unten war die Havel. Flach, sich zu Seen verbreiternd. Oft genug hatte sie ihn dort liegen sehen, ein vertrautes Bild der Heimkehr.
    Gott, wo war der Wannsee?
    Sie sanken stetig.
    Es gab kaum Hoffnung mehr.
    »Bete, Janina!«, flüstert sie.
    »Mita, da!«
    »Was?«
    »Der rote Teppich!«
    Janina schien zu halluzinieren. Warum auch nicht? Sie selbst war auch nahe daran. Verzweifelt versuchte sie, die Maschine auf Höhe zu halten. Aber sie sanken schneller.
    »Mita, er hilft uns.«
    »Wer, Kind?« Sie klang erschöpft.
    »Da vor uns. Shardul.«
    Sie hatten keine Chance mehr. Die Sicht war zu schlecht. Das Schneegestöber hatte noch zugenommen. Sie würden aufprallen. Das Flugzeug zerbrechen. Ein Flammeninferno …
    Es waren ihre letzten Minuten.
    »Mita, hör doch! Er hilft uns.«
    Es gab nichts anderes mehr. Also hört sie auf das Kind. Das Kind, das sie liebte, die Tochter des Mannes, den sie mochte, wie sie sich vorhin eingestanden hatte.
    »Schw… Schwanz … Schwanz rechts.«
    Sie trimmte das Flugzeug.
    »Nase … Nase ein bisschen hoch.«
    Was immer es half, sie zog die Flugzeugnase hoch.
    »Ohren nach vorne!«
    Irrsinn. Jetzt sah sie ihren Kater vor sich, die großen Ohren aufgerichtet und nach vorne gedreht.
    Landeklappen raus.
    »Schwanz links, links, links!«
    Sie halluzinierte auch.
    Vor der Frontscheibe flog auf ihrem roten Teppich – Shardul.
    Hob die Nase.
    »Nase hoch, hoch, hoch!«, schrie Janina.
    »Höher geht’s nicht.«
    »Schwanz links! Jetzt grade!«

16:33 Uhr
     
     
    Heulend bogen die Rettungswagen auf die Straße zum Wannsee.
    Remo hörte die Meldungen im Funk.
    »Wir haben sie gesichtet.«
    »Kommen von Westen rein.«
    »Zu niedrig!«
    Sie bremsten, Remo sprang aus dem Wagen.
    Über ihm schwebte die Maschine lautlos ein. Ein dunkler Schemen im Schneegestöber – es war gespenstisch. Nur das Rauschen der Luft an den Tragflächen war zu hören.
    »Himmel, die müssten hundert Meter weiter nach links!«, stöhnte der Fahrer.
    Jemand betete.
    Das Flugzeug machte eine kleine Wendung. Es sah wahrhaftig aus, als würden sie die Mitte des Sees treffen.
    »Die müssen unsere Gebete gehört haben«, flüsterte ein
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