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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann
Autoren: Jo Nesbø
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Seite des Damms zu kochen. Weißer Schaum spritzte auf, und als Harry zur Tür hinüberging, sah er einen grünen Formel 1-Wagen mit wie Schneebesen wirbelnden kleinen Echsenbeinen aus dem Wasser schießen. Harry rannte los, rutschte aber in dem losen Sand weg. Weit hinter sich hörte er Schreie, und aus dem Augenwinkel sah er die aufgeklappte Motorhaube des Rennwagens. Er nahm die Beine in die Hand, stürzte zur Tür hinüber und ergriff die Klinke. Für den Bruchteil einer Sekunde dachte Harry, daß die Tür bestimmt verschlossen war. Doch im nächsten Augenblick war er durch sie verschwunden. Eine Szene aus Jurassic Park kam ihm ins Gedächtnis, und er schloß die Tür. Nur zur Sicherheit.
    Er zog seine Pistole. In dem feuchten Raum lag ein übler Gestank einer Mischung aus Waschmittel und halbverfaultem Fisch.
    »Harry!« Es war McCormack, der über das Funkgerät mit ihm sprach. »Erstens gibt es einfachere Wege dorthin, wo du jetzt bist, als über den Teller dieses Biestes, und zweitens verhältst du dich jetzt ruhig, bis Lebie zu dir herüberkommt.«
    »I . . .be nicht . . . gehö . . . Sie . . . sagt . . . ben, Sir!« sagteHarry und kratzte mit einem Fingernagel über das Mikrophon. »Gehe . . . Heine weit . . .!«
    Er öffnete die Tür am anderen Ende des Raumes und kam in einen zylinderförmigen Turm mit einer Wendeltreppe. Harry nahm an, daß es nach unten zu den Tunneln unter dem Meer ging und entschloß sich, nach oben zu gehen. Auch auf dem nächsten Absatz gab es eine Tür. Sein Blick folgte der Treppe nach oben, aber es schien keine weitere Tür mehr zu geben.
    Er drückte die Klinke nach unten und schob die Tür mit gezückter Pistole vorsichtig auf. In dem Raum war es stockfinster, und der Geruch nach fauligem Fisch nahm ihm beinahe den Atem.
    Harry fand gleich neben der Tür einen Lichtschalter, den er mit der linken Hand betätigte, aber das Licht ging nicht an. Er ließ die Tür los und trat zwei vorsichtige Schritte vor. Es knackte unter seinen Füßen. Harry erriet, um was es sich da handelte und glitt lautlos zur Tür zurück. Jemand hatte die Glühbirne an der Decke zerschlagen. Er hielt den Atem an und lauschte. War sonst noch jemand im Raum? Eine Lüftung rauschte.
    Harry schlüpfte wieder auf den Treppenabsatz hinaus.
    »McCormack«, flüsterte er ins Mikrophon. »Ich glaube, er ist da drin. Hören Sie, tun Sie mir einen Gefallen und wählen Sie seine Handynummer!«
    »Harry Holy, wo steckst du?«
    »Jetzt, Sir! Bitte!«
    »Harry, laß das Ganze nicht zu einer persönlichen Vendetta ausarten, das ist . . .«
    »Es ist warm heute, Sir. Wollen Sie mir jetzt helfen oder nicht?«
    Harry hörte McCormacks schweren Atem.
    »In Ordnung, ich wähle jetzt die Nummer.«
    Harry schob die Tür mit dem Fuß auf, stellte sich breitbeinig, die Pistole mit beiden Händen fest umklammert, auf und wartete auf das Klingeln. Die Zeit erschien ihm wie ein hängenderTropfen, der einfach nicht herabfallen wollte. Es vergingen vielleicht zwei Sekunden. Nicht ein Laut war zu hören.
    Er ist nicht hier, dachte Harry.
    Dann geschahen drei Dinge gleichzeitig.
    Zum einen begann McCormack zu reden.
    »Er hat sein Handy abge . . .«
    Zum anderen wurde Harry klar, daß sich seine Silhouette wie die eines laufenden Keilers in der Türöffnung abzeichnete, und zum dritten explodierte seine Welt plötzlich in einem Regen aus Sternen und roten Flecken, die über seine Netzhaut tanzten.
     
    Harry erinnerte sich an Bruchteile von Andrews Boxlektion, die er ihm auf ihrer gemeinsamen Fahrt nach Nimbin erteilt hatte. Zum Beispiel, daß ein Haken eines professionellen Boxers in der Regel mehr als genug ist, um einen untrainierten Mann bewußtlos zu schlagen. Indem er die Hüfte mitschwingt, kann er den ganzen Oberkörper hinter den Schlag bekommen, was diesem eine solche Kraft gibt, daß das Gehirn augenblicklich aussetzt. Ein präzise am Kinn plazierter Uppercut läßt dich vom Boden abheben und schickt dich spontan in die Welt der Träume. Garantiert. Auch die perfekte rechte Gerade eines Rechtshänders läßt dir kaum die Chance, hinterher noch auf den Beinen zu stehen. Und das Wichtigste von allem: Wenn du den Schlag nicht kommen siehst, kann der Körper auch nicht reagieren und ausweichen. Schon eine kleine Bewegung mit dem Kopf kann die Wirkung eines Schlages deutlich abschwächen. Es ist meistens so, daß die Boxer den letzten Schlag, durch den sie k.o. gehen, gar nicht gesehen haben.
    Die einzige Erklärung dafür, daß
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