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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann
Autoren: Jo Nesbø
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fragte er überrascht.
    Harry begriff, daß er auf der Fahrerseite stand. Scheiße, hier fährt man ja links. Auf dem Beifahrersitz lagen aber so viele Zeitungen, Cassetten und Müll, daß Harry sich ohne Umstände auf die Rückbank schob.
    »You must be an aborigine«, fragte er, als sie auf die Autobahn fuhren.
    »Guess there's no foolin' you, officer«, antwortete Kensington und blickte in den Rückspiegel.
    »In Norway we call you ›australneger‹ – Australian negro.«
    Kensington betrachtete ihn im Rückspiegel.
    »Really?«
    Harry begann sich unwohl zu fühlen.
    »Äh, ich meine nur, daß Ihre Vorfahren ganz offensichtlich nicht zu den Strafgefangenen gehört haben, die vor zweihundert Jahren von England hierhergeschickt wurden«, entschuldigte er sich, um zu zeigen, daß er wenigstens gewisse Grundkenntnisse über die Geschichte dieses Landes besaß.
    »That's right Håo-li, meine Vorfahren waren schon ein bißchen früher hier. Vierzigtausend Jahre, um genau zu sein.«
    Kensington grinste in den Spiegel, und Harry beschloß, jetzt erst einmal für eine Weile den Mund zu halten.
    »I see. Nennen Sie mich Harry!«
    »Okay, Harry, ich bin Andrew.«
     
    Den Rest der Strecke redete Andrew. Er fuhr Harry nach King's Cross und erklärte ihm alles: Dieses Viertel war die Heimat von Sydneys Prostituierten und das Zentrum für Drogenhandel und andere lichtscheue Aktivitäten der Stadt. Jeder zweite öffentliche Skandal schien Verbindungen zu dem einen oder anderen Hotel oder einer Stripbar dieses Quadratkilometers zu haben.
    »Da wären wir«, sagte Andrew plötzlich. Er hielt am Straßenrand an, stieg aus dem Auto und holte Harrys Gepäck aus dem Kofferraum.
    »See ya tomorrow«, sagte Andrew, und damit waren er und das Auto auch schon verschwunden. Mit steifem Rücken und einem Jetlag, der sich immer mehr bemerkbar machte, standen Harry und sein Koffer plötzlich alleine auf dem Bürgersteig einer Stadt, deren Einwohnerzahl in etwa der Bevölkerung von ganz Norwegen entsprach. Hinter ihm erhob sich die Fassade des Crescent Hotel. Neben dem Namen prangten drei Sterne. Oslos Polizeipräsidentin war nicht gerade bekannt dafür, besonders großzügig bei der Einquartierung ihrer Untergebenen zu sein. Aber vielleicht war es diesmal jadoch nicht so schlecht. Wahrscheinlich gab es Rabatt für den öffentlichen Dienst und besonders kleine Zimmer, dachte Harry.
    Und so war es dann auch.

 
    2 Ein tasmanischer Teufel,
    ein Clown und eine Schwedin
     
     
    H arry klopfte vorsichtig an die Tür des Polizeichefs des Distriktes Sydney South.
    »Komm' rein!« dröhnte eine tiefe Stimme von drinnen.
    Ein großer, breiter Mann mit einem beeindruckenden Bauch stand hinter einem Schreibtisch aus Eiche am Fenster. Unter seinem schütteren Haar stachen graue, buschige Augenbrauen hervor, doch in den Augenfalten lag ein Lächeln.
    »Harry Hole aus Oslo, Norge, Sir.«
    »Setzen Sie sich, Holy. Sie sehen verdammt wach aus, so früh am Morgen. Ich hoffe, Sie haben nicht bereits Kontakt zu unseren Junkies aufgenommen?« Neil McCormack lachte herzlich.
    »Jetlag. Seit vier Uhr heute nacht bin ich hellwach, Sir«, erklärte Harry.
    »Natürlich. Nur ein kleiner Witz von mir. Wir hatten hier vor ein paar Jahren einen recht schwerwiegenden Korruptionsfall, verstehen Sie. Zehn Polizisten wurden verurteilt, unter anderem, weil sie Drogen verkauft hatten, untereinander. Der Verdacht kam damals auf, weil einige von ihnen so unbeschreiblich wach waren – den ganzen Tag über. Eigentlich sollte man darüber keine Witze machen«, brummte er gutmütig, setzte seine Brille auf und blätterte in den Papieren, die vor ihm auf dem Tisch lagen.
    »Sie sind also hierher beordert worden, um uns bei den Untersuchungen im Mordfall Inger Hoher, norwegische Staatsbürgerin mit Arbeitsvisum für Australien, zu unterstützen. Ein blondes, hübsches Mädchen, jedenfalls den Bildern nach. Dreiundzwanzig Jahre, nicht wahr?«
    Harry nickte. McCormack war jetzt vollkommen ernst. »Sie wurde von Fischern am Strand der Watson Bay gefunden,genauer gesagt, unterhalb des Gap Parks. Fast nackt, allen Anzeichen nach ist sie zuerst vergewaltigt und dann erwürgt worden, es gibt aber keine Spermaspuren. Dann hat man sie im Dunkel der Nacht in den Park gebracht und die Steilküste hinuntergeworfen.«
    Er schnitt eine Grimasse.
    »Bei etwas schlechterem Wetter wäre sie sicher von den Wellen erfaßt worden, so aber blieb sie zwischen den Steinen liegen, bis sie am nächsten
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