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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann
Autoren: Jo Nesbø
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Spuren?«
    »Wie du siehst, können die Autos direkt hier unten parken, die Gegend ist nachts nicht beleuchtet und ziemlich verlassen. Es gibt keine Zeugenaussagen, und ehrlich gesagt erwarten wir auch keine.«
    »Also, was machen wir jetzt?«
    »Jetzt tun wir, was mir der Chef befohlen hat. Wir gehen in ein Restaurant und hauen etwas vom staatlichen Repräsentationsbudget auf den Kopf. Du bist trotz allem der höchste Repräsentant der norwegischen Polizei in einem Umkreis von über zweitausend Kilometern. Mindestens.«
     
    Andrew und Harry saßen an einem feierlich weiß gedeckten Tisch. Das Fischrestaurant Doyle's lag ganz unten an der Watson Bay. Nur ein schmaler Sandstrand trennte es vom Meer.
    »Fast schon kitschig, nicht wahr«, meinte Andrew.
    »Die ideale Postkarte.« Ein kleiner Junge und ein Mädchen bauten am Strand direkt vor ihnen Sandburgen. Dahinter lag die azurblaue Meeresbucht, dann fruchtbare grüne Hügel und etwas weiter entfernt die stolze Skyline von Sydney.
    Harry bestellte Kammuscheln und tasmanische Forelle, Andrew eine australische Flunder, von der Harry vermutlich noch nie zuvor gehört hatte. Andrew bat um eine Flasche Chardonnay Rosemount, »völlig unpassend zu diesem Essen, aber der ist weiß und gut und liegt genau im Rahmen des Budgets.« Er sah reichlich überrascht aus, als Harry sagte, er trinke keinen Alkohol.
    »Quäker?«
    »Nein, damit hat das nichts zu tun«, erwiderte er.
    Doyle's sei ein alter Familienbetrieb und gelte als eines der besten Fischrestaurants in Sydney, erklärte Andrew. Es war Hochsaison, und alle Tische waren besetzt. Harry wunderte sich deshalb nicht, daß der Kellner sie warten ließ.
    »Die Kellner sind hier wie der Planet Pluto«, brummte Andrew wütend. »Kreisen an der Peripherie herum und tauchen nur jedes zwanzigste Jahr im Zentrum auf, und selbst dann sind sie mit bloßem Auge nicht zu erkennen.«
    Harry konnte sich beim besten Willen nicht darüber aufregen und lehnte sich mit einem zufriedenen Seufzer zurück.
    »Aber die haben gutes Essen«, sagte er. »Das ist also der Grund für deinen Anzug.«
    »Sowohl als auch. Du siehst ja, daß es hier nicht sonderlich formell ist. Aber ich habe gute Erfahrungen gemacht, an solchen Orten nicht in Jeans und T-Shirt zu erscheinen. Ich muß mein Äußeres ein bißchen kompensieren.«
    »Wie meinst du das?«
    Andrew blickte Harry in die Augen.
    »Aborigines haben in diesem Land keinen besonders hohen Status, das hast du ja vielleicht schon gemerkt. Schon ganz früh schrieben die Engländer in den Briefen nach Hause, daß die Eingeborenen eine Schwäche für Alkohol und Diebstahl hätten«, erzählte er. Harry hörte ihm interessiert zu.
    »Sie meinten, das sei in ihren Genen so angelegt. Das einzige, zu dem sie taugen, ist eine Art Höllenmusik zu machen, indem sie in lange hohle Holzstücke blasen, die sie Didgeridoo nennen, schrieb einer von ihnen. Nun, Australien ist ein Land, das sich damit brüstet, viele Kulturen erfolgreich zu einer funktionierenden Gemeinschaft vereint zu haben. Aber für wen? Das Problem oder der Vorteil, je nachdem wie du das siehst, ist die Tatsache, daß man die Eingeborenen überhaupt nicht mehr wahrnimmt.
    Die Aborigines nehmen an dem gesellschaftlichen Leben in Australien so gut wie nicht teil, abgesehen von politischen Debatten, in denen es um besondere Interessen oder die Kulturder Aborigines geht. Die Australier kaufen sich frei, indem sie Aboriginekunst in ihren Häusern aufhängen. Auf der anderen Seite sind die Aborigines verdammt gut in den Schlangen beim Sozialamt, in den Selbstmordstatistiken und in den Gefängnissen vertreten. Wenn du Aborigine bist, sind die Chancen, im Gefängnis zu landen, sechsundzwanzigmal größer als bei einem Australier. Denk darüber nach, Harry Hole.«
    Andrew trank den Rest des Weins, während Harry nachdachte. Auch darüber, daß er gerade wahrscheinlich das beste Fischgericht seines zweiunddreißigjährigen Lebens gegessen hatte.
    »Und trotzdem ist Australien nicht rassistischer als andere Länder, wir sind ja eine multikulturelle Nation mit Menschen aus der ganzen Welt. Das bedeutet nur, daß es sich lohnt, einen Anzug anzuziehen, wenn man in ein Restaurant geht.«
    Harry nickte wieder. Es gab dazu nichts mehr zu sagen.
    »Inger Holter arbeitete in einer Bar?«
    »Ja, natürlich. The Albury in der Oxford Street in Paddington. Ich dachte, wir könnten da heute abend hingehen.«
    »Warum nicht jetzt gleich?« Harry bemerkte, daß ihn die
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