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Der Fledermausmann

Der Fledermausmann

Titel: Der Fledermausmann
Autoren: Jo Nesbø
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dem sich die Erdkugel abzeichnete und der Himmel immer blauer wurde, bis er in das Azurblau des Pazifiks überging, über den Kapitän Cook hierher gesegelt war.
    Joseph schüttelte ihn, und er preßte seine Hüfte nach unten, um eine bessere Fallposition zu bekommen. Er überprüfte den Höhenmesser. Neuntausend Fuß. Mein Gott, wieviel Zeit sie hatten! Er bewegte seinen Oberkörper, wobei er die Arme ausstreckte, und machte eine halbe Drehung.
    Vor ihm im Westen lagen die Blue Mountains, die blau waren, weil dort ganz spezielle Eukalyptusbäume eine Art blauen Dunst ausströmten, den man aus weiter Entfernung erkennen konnte. Joseph hatte ihm das erzählt. Er hatte ihm auch erzählt, daß hinter diesen Bergen das Land lag, das seine Vorfahren, das Nomadenvolk, als Heimat bezeichneten. Die unendlichen trockenen Ebenen – the outback –, die den größten Teil dieses riesigen Kontinents ausmachten. Es war unglaublich, daß in diesem unbarmherzigen Backofen jemand überleben konnte, doch Josephs Volk hatte viele tausend Jahre dort gelebt, bis die Weißen kamen.
    Harry blickte nach unten. Wie friedlich und verlassen es dort unten aussah. Ein stiller, liebenswerter Planet mußte das sein. Der Höhenmesser zeigte siebentausend Fuß an. Joseph ließ ihn wie vereinbart los. Ein ernsthafter Verstoß gegen die Vorschriften, aber, was es an Regeln gab, hatten sie ohnehin schon dadurch überschritten, daß sie alleine hier oben waren. Harry sah, wie Joseph die Arme anlegte, um horizontal Geschwindigkeit zu bekommen. Verblüffend schnell verschwand er nach links unten.
    Dann war Harry alleine. Wie man immer alleine ist. Es fühlt sich nur so viel besser an, wenn man sechstausend Fuß hoch im freien Fall über der Erde ist.
    Kristin hatte ihre Wahl an einem grauen Montagmorgen in einem Hotelzimmer getroffen. Sie war vielleicht aufgewacht, erschöpft von dem neuen Tag, der noch nicht einmal richtig angebrochen war, hatte aus dem Fenster gesehen und sich entschlossen, daß es nun genug sei. Welche Gedanken sie sich gemacht hatte, wußte Harry nicht. Die menschliche Seele war ein tiefer, dunkler Wald, und alle Entscheidungen trifft man allein.
    Fünftausend Fuß.
    Vielleicht hatte sie die richtige Entscheidung gefällt? Das vollkommen leere Tablettenröhrchen deutete jedenfalls darauf hin, daß sie nicht gezweifelt hatte. Und eines Tages mußte es ein Ende geben, eines Tages war es höchste Zeit. Der Wunsch, diese Welt mit einem gewissen Stil zu verlassen, zeugte jedenfalls von einer gewissen Eitelkeit – einer Schwäche –, die nur wenige Menschen hatten.
    Viertausendfünfhundert Fuß.
    Andere Menschen hatten nur eine Schwäche für das Leben. Ganz einfach. Na ja, vielleicht nicht ganz so einfach, aber das alles lag jetzt so weit entfernt dort unten. Viertausend Fuß, um ganz genau zu sein. Er umklammerte den orangenen Griff auf der rechten Seite seiner Brust, zog entschlossen an der Reißleine und begann zu zählen: »Einundzwanzig, zweiundzwanzig . . .«

 
     
     
     
     
     
     
     
     
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