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Der Fehler des Colonels

Der Fehler des Colonels

Titel: Der Fehler des Colonels
Autoren: Dan Mayland
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Umrisse eines neueren, lindgrünen Gebäudes mit einem silbern schimmernden Dach.
    Einer der Soldaten machte das Boot an einem verrosteten Pfeiler fest und watete durch das knietiefe Wasser zum Eingang. Ein weiterer Soldat kam aus dem Gebäude und es entbrannte eine hitzige Diskussion, wohin man Mark bringen sollte.
    »Steh auf.« Amato drückte erneut den Lauf seiner Pistole in Marks Nacken. »Raus aus dem Boot.«
    Mark stieg ins Wasser. Es war warm und roch nach Öl. Unter seinen nackten Füßen befand sich eine algenbewachsene Betontreppe. Er rutschte, fing sich aber wieder.
    Als er in das Gebäude trat, sah er zwei iranische Soldaten. Einer von ihnen verpasste ihm einen Magenschwinger und zerrte ihn einen Gang entlang.
    Er stellte sich vor, wieder in Baku zu sein, in seiner Wohnung, auf seinem Balkon. Die Sonne ging unter. Es war warm. Schmerz war nur eine illusionäre Sinnesempfindung, die sein Verstand wenn nötig ausschalten konnte, sagte er sich. Schieb es weg.
    Die Soldaten brachten ihn in eine Kammer, die kaum genug Platz für die beiden sowjetischen Arbeiter geboten hatte, die früher wohl hier übernachtet hatten. Wieder schlugen sie ihn und befestigten seine Handschellen an einem Bolzen auf dem Boden. Weil seine Hände auf den Rücken gefesselt waren, konnte er kaum den Kopf über dem Wasser halten, das einen halben Meter hoch im Raum herumschwappte. Schließlich merkte er, dass er besser dran war, wenn er tief einatmete, sich dann entspannte und unter Wasser ging, bis er wieder Luft schöpfen musste.
    Das ölige Wasser drang in seine Ohren. Die gedämpften Laute, die durch das Gebäude hallten, wirkten verzerrt und irreal. Er hörte, wie eine Tür zugeknallt wurde, dann schien jemand zu brüllen. Aber er vernahm weder das Geräusch von Motorbooten noch von abgefeuerten Schüssen, auf das er hoffte. Er grübelte, ob er den Bogen diesmal überspannt und ob Amato den GPS-Sender an seinem Mobiltelefon überhaupt aktiviert hatte.
    Er fragte sich, ob es ein Fehler gewesen war, Amato zu vertrauen.

78
    Nach einer Weile wurde Mark in einen größeren Raum gebracht, die alte Kantine vermutlich. Hier befanden sich vier Soldaten, ein älterer Iraner und Amato. Alle standen knietief im Wasser.
    Amato sah aus, als wäre er verrückt.
    Er hatte die Zähne zusammengebissen, das Kinn gereckt, seine Nüstern bebten wie die eines Stiers und er schien um ein paar Zentimeter gewachsen zu sein. Das war kein Mann, der Wut vortäuscht, dachte Mark. Dieser Mann stand kurz vor der Explosion.
    Eine Sekunde später sah er warum.
    Mark hatte sich darauf vorbereitet, dass Daria in einer schlimmen Verfassung sein würde. Und er hatte geglaubt, dass die Zeugnisse abnormer Brutalität, mit der er im Lauf der Jahre in Berührung gekommen war, ihn gegen solche Abgründe von Schlechtigkeit abgestumpft hätten.
    Aber er hatte sich getäuscht.
    Sie dort zu sehen, in einer Ecke kauernd, drogenumnebelt und zitternd, entkleidet, geschlagen, gebrochen, weggeworfen wie vom Meer herbeigespültes Treibgut, schnitt ihm tiefer ins Herz, als er es je für möglich gehalten hatte.
    Er zwang sich, sie anzusehen. Mit glasigem Blick starrte sie auf das sich kräuselnde Wasser. Sie gab nicht zu erkennen, ob sie ihn gesehen hatte.
    »Daria!«, sagte er.
    Jemand schlug ihn und er fiel auf die Knie. Sie schaute immer noch nicht auf. »Daria!«, rief er wieder.
    Diesmal drückte ein Soldat Marks Kopf unter Wasser, bis er zu ersticken drohte. Als er losgelassen wurde, hörte er Amato mit dem älteren Iraner reden, dem Vernehmungsoffizier, ein mittelgroßer Mannmit einem hageren Gesicht, einer knochigen Nase und einem kurz geschnittenen, schwarzen Bart. Sie diskutierten auf Farsi darüber, wie das Verhör durchgeführt werden sollte. Amato spielte auf Zeit, so viel wusste Mark.
    Nach einem weiteren Austausch von Argumenten zuckte der iranische Vernehmungsoffizier die Achseln und ordnete an, Mark solle rücklings auf eine Bank gebunden werden, die sich zwei, drei Zentimeter unter der Wasseroberfläche befand. Außerdem befahl er, auch Daria solle auf eine ähnliche Bank gebunden werden.
    »Halt durch, Daria. Es wird alles gut«, rief Mark, als sie ihn fesselten. Ob das stimmte, wusste er zwar nicht. Oder ob für sie, angesichts ihres Zustands, je wieder alles gut sein konnte.
    Nach diesem Ausbruch trat ein Iraner Mark in die Seite. Einige seiner Rippen brachen. Wenn Daria seine ermutigenden Worte gehört hatte, ließ sie sich nichts anmerken.
    Amato tauchte
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