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Der Favorit der Zarin

Der Favorit der Zarin

Titel: Der Favorit der Zarin
Autoren: Boris Akunin
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durchkämpfen müssen – war also als aussichtsreicher Kandidat eingestuft worden. Merkwürdig, dass sie ihn nicht angemeldet hatte.
    Schwierige Fälle waren dem »Land der Räte« schon lange nicht mehr untergekommen. Einfache allerdings auch nicht. Man konnte ja schließlich die Heilung einer siebzehnjährigen Studentin, die unsterblich verliebt in den Schauspieler Menschikow war,
    Rat: sich im Zimmer einschließen; ohne Ablenkung und Pause von morgens bis abends die Kassette mit dem Film »Der sibirische Figaro« ansehen, bis zu einem positiven Ergebnis.
    Prozess: zwei Tage später, nach der dreiundzwanzigsten Vorführung ein Telefonanruf. Schluchzen und Schreie: »Oleg ist ein Gott, ein Gott, ein Gott!«
    Rat: die Prozedur fortsetzen.
    Ergebnis: nach weiteren drei Tagen, nach der siebenundfünfzigsten Vorführung völlige Genesung. Rückkehr von Schlaf, Appetit und Interesse für andere Vertreter des männlichen Geschlechts. (Aus dem Notizbuch von N. Fandorin)
    und die Beratung einer Hausverwaltung zu der Frage, ob sie an dem Wettbewerb »Der Moskauer Hausmeister«
    Rat: keinen Rasen sähen, da er sowieso nicht gedeiht; die Wände des Hauses à la Monkrater streichen; die Mitglieder der Jury an einem sternklaren Abend einladen.
    Ergebnis: Sieger des Bezirks. (Aus dem Notizbuch von N. Fandorin)
    teilnehmen sollte, nicht als Arbeit betrachten.
    Zwar hatte er sich Anfang Herbst ganz schön abstrampeln müssen, um einen Verwandten seiner Frau, einen sechzehnjährigen Lümmel, aus seiner schlechten Gesellschaft zu befreien. Diese Gesellschaft war nicht einfach schlecht, sondern kriminell; sie machte Jugendliche drogensüchtig, so dass die Beratung in eine ganze Krimieskapade mündete, die Nicholas fast das Leben gekostet hätte, der Firma aber keinen Heller einbrachte. Man kann ja schließlich kein Geld von Verwandten annehmen!
    Das letzte nennenswerte Honorar hatte er vor anderthalb Monaten bekommen. Eine Händlerin, die eine Boutique für anspruchsvolle Kunden aufmachen wollte, brauchte eine originelle Idee, damit der Laden sich von den anderen abhebe. Nicki schlug vor, ihn »Fetzen« zu nennen, das Schaufenster mit verschlissenen Säcken und dreckigen Schachteln zu dekorieren, die nackten Ziegelmauern mit Graffiti zu bemalen, die Umziehkabine wie eine Gefängniszelle einzurichten, die Kasse in einer Aschentonne unterzubringen und so weiter und so fort. Die Kundin war von diesem Unsinn begeistert und wollte ihm fünftausend Dollar bar geben, aber Nicki, der ein prinzipieller Verfechter der Gesetzestreue war, bat, sie möge ihm das Honorar in Rubeln auf sein Bankkonto überweisen. Die Auftraggeberin konnte nicht verstehen, was er von ihr wollte. Schließlich musste er deutlich werden: »Gnädigste«, sagte Fandorin, »ich will kein Schwarzgeld auf die Kralle, ich will eine cleane Überweisung der Kröten auf mein Konto.« Von dieser exzentrischen Haltung war die Händlerin hellauf begeistert: »Cleane Kröten! Super!« Doch bei der Überweisung zog sie ihm 31,6% für die Sozialabgaben ab. Das wäre ja noch okay gewesen, aber ein Wermutstropfen war, dass Altyn es gewesen war, die die wohlhabende Auftraggeberin zu ihm geschickt hatte. Wie er es auch drehte, Nicholas lebte auf ihre Kosten und war ein Schmarotzer.
    Die Schuld daran konnte er nur sich selber geben.
    Als er geheiratet und beschlossen hatte, sich in Russland niederzulassen, hatte der Baronet Nicholas A. Fandorin es für seine Pflicht gehalten, erstens die britische Staatsbürgerschaft gegen die russische einzutauschen (was Altyn ihm immer noch nicht verzeihen konnte) sowie zweitens seine Londoner Wohnung zu verkaufen und das ganze Geld auf eine Moskauer Bank zu überweisen, um die Wirtschaft seines Vaterlandes anzukurbeln. Während der Wirtschaftskrise von 1998 machte die Bank seelenruhig pleite, und der frühere Staatsbürger Seiner Majestät geriet in eine verzweifelte Lage: auf der einen Waagschale lagen seine nicht berufstätige Frau, seine beiden einjährigen Kinder und ein bestimmter Lebensstandard, an den sie sich gewöhnt hatten, auf der anderen ein merkwürdiges Geschäft, das sich vielleicht als Hobby eines wohlhabenden Rentners nicht übel ausgenommen hätte, mit dem man aber keineswegs die Existenz einer vierköpfigen Familie absichern konnte. Wenn der wohltätige Mitbegründer nicht gerade damals ein Medienimperium hätte schaffen wollen und Nickis Frau Altyn Mamajewa (den Nachnamen ihres Mannes anzunehmen, daran hatte die wilde Feministin
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