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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man
Autoren: Jeffery Deaver
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schüttelte den Kopf. »Verzeihen Sie die Eile. Ich hab gleich schon wieder eine Sitzung. Diese ewigen Besprechungen machen mich noch wahnsinnig. Diesmal geht’s um Versicherungsfragen. Die Öffentlichkeit mag ja glauben, wir würden nichts anderes tun als Kriminelle zu fangen. Oder sie
nicht
zu fangen, was wahrscheinlich eher der allgemeinen Ansicht entspricht. Aber denkste – die Hälfte des Jobs besteht aus geschäftlichem Geschwafel. Für meinen Vater hatte ›geschäftlich‹ noch etwas mit Geschäftigkeit zu tun. Er hat neununddreißig Jahre lang als Handelsvertreter gearbeitet. Geschäftigkeit. Das sollte eigentlich auch für unseren Beruf gelten.« Er streckte die Hand aus.
    Amelia war so elend zumute, dass ihr fast schlecht wurde. Sie reichte ihm das abgewetzte Lederetui, das ihr silbernes Abzeichen und den Dienstausweis enthielt.
    Dienstnummer Fünf Acht Acht Fünf…
    Was sollte sie nur tun? Bei irgendeinem jämmerlichen Sicherheitsdienst arbeiten?
    Das Telefon des Captains klingelte, und er nahm den Hörer ab.
    »Hier Marlow… Ja, Sir… Wir haben alle erforderlichen Maßnahmen getroffen.« Es ging offenbar um den Fall Andrew Constable. Während der Captain weiter mit dem Anrufer sprach, legte er den Umschlag auf seinem Schoß ab. Er klemmte sich den Hörer zwischen Schulter und Ohr, wandte sich wieder Sachs zu und wickelte beim Reden den roten Faden ab, der um zwei Metallklammern geschlungen war, um den Umschlag zu versiegeln.
    Das Gespräch drehte sich um den Prozess, um Razzien oben in Canton Falls und um die neuen Anklagepunkte gegen Constable und andere aus der Gesellschaft der Patrioten. Sachs fiel auf, wie präzise Marlow seinen Tonfall im Griff hatte und wie respektvoll er klang. Er beherrschte das Machtspiel perfekt. Womöglich sprach er gerade mit dem Bürgermeister oder dem Gouverneur.
    Oder mit dem Kongressabgeordneten Ramos.
    Ein taktisches Spiel, politische Schachzüge… Ging es bei der Polizei in Wahrheit nur darum? Ein solches Verhalten lag Amelia dermaßen fern, dass sie sich zu fragen begann, ob sie überhaupt etwas in diesem Geschäft verloren hatte.
    Wo es nur noch geschäftlich und nicht mehr geschäftig zuging.
    Der Gedanke zerriss ihr fast das Herz. O Rhyme. Was sollen wir nur tun?
    Wir werden es schon irgendwie überstehen, hatte er gesagt. Aber es kam im Leben nicht darauf an, eine Sache irgendwie zu überstehen. Irgendwie überstehen hieß verlieren.
    Marlow hielt am Telefon einen endlosen Vortrag in Behördensprache. Er schaffte es endlich, den Umschlag zu öffnen, und ließ Amelias Marke hineinfallen.
    Dann zog er einen Gegenstand in blauem Seidenpapier daraus hervor.
    »…haben keine Zeit für eine Zeremonie. Das holen wir später nach.« Diese letzten Worte waren geflüstert und anscheinend an Sachs gerichtet.
    Zeremonie?
    Er sah sie an, deckte die Sprechmuschel mit der Hand ab und flüsterte noch etwas. »Dieser Versicherungskram. Wer soll da je durchsteigen? Ich muss mich mit Sterbetabellen herumschlagen, mit Rentenpapieren, Ausschüttungssummen…«
    Er wickelte den Gegenstand aus: ein goldenes NYPD-Dienstabzeichen.
    Dann sprach er in normaler Lautstärke wieder in den Hörer. »Ja, Sir, wir bleiben am Ball… Wir haben auch Leute in Bedford Junction. Und im Nachbarort Harrisonburg. Die Lage ist vollständig unter Kontrolle.«
    Er flüsterte erneut Sachs etwas zu. »Ihre Nummer haben Sie behalten, Officer.« Er hielt das leuchtend goldene Abzeichen hoch. Die Ziffern darauf entsprachen Amelias alter Dienstnummer: 5885. Er befestigte die Marke in dem Lederetui und holte noch etwas aus dem gelben Umschlag: einen vorläufigen Dienstausweis, den er ebenfalls in das Etui steckte. Dann gab er es ihr zurück.
    Auf dem Ausweis stand: Amelia Sachs, Detective Third Grade.
    »Ja, Sir, wir haben davon gehört. Nach unserer Einschätzung ist die Bedrohungslage handhabbar… Gut, Sir.« Marlow legte auf und schüttelte den Kopf. »Lieber jeden Tag einen Fanatikerprozess als diese Versicherungssitzungen. Okay, Officer, für den endgültigen Dienstausweis müssen Sie sich erst noch fotografieren lassen.« Er überlegte kurz und fügte dann vorsichtig etwas hinzu. »Das ist nicht chauvinistisch gemeint, also verstehen Sie mich bitte nicht falsch, aber es wird gern gesehen, wenn die Frauen dafür ihr Haar im Nacken zusammenbinden. Es sollte eher nicht offen getragen werden, damit es nicht, Sie wissen schon, na ja,
hängt
. Sieht wohl energischer aus, schätze ich. Ist das ein Problem
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