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Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man

Titel: Der faule Henker - Deaver, J: Faule Henker - The Vanished Man
Autoren: Jeffery Deaver
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er. »Aber Ihr Auftritt letzten Sonntag hat mich beeindruckt. Und ich bin nicht leicht zu beeindrucken. Sie waren verdammt gut.«
    »Für eine Schülerin«, schränkte sie ein.
    »Nein, für eine
Künstlerin
«, versicherte er. »Sie sollten regelmäßig auf der Bühne stehen.«
    »Ich bin noch nicht so weit. Irgendwann kommt der Tag.«
    Rhyme schwieg lange, bevor er weitersprach. »Das Problem bei einer solchen Einstellung ist, dass der Tag manchmal eben
nicht
kommt.« Er schaute an seinem Körper hinunter. »Manchmal… kommt etwas dazwischen. Und dann stehen Sie da und haben diesen einen wichtigen Schritt nie gemacht. Und für den Rest Ihres Lebens bedauern Sie es.«
    »Aber Mr. Balzac…«
    »…lässt Sie nicht hochkommen. Das ist ganz offensichtlich.«
    »Er will nur das Beste für mich.«
    »Nein, will er nicht. Ich hab keine Ahnung, was er will, aber jedenfalls denkt er dabei nicht an
Sie
. Sehen Sie sich doch Weir und Loesser an. Und Keating. Mentoren können einen sehr starken Einfluss ausüben. Danken Sie Balzac für alles, was er getan hat, bleiben Sie ihm freundschaftlich verbunden, und schicken Sie ihm Logenkarten für Ihre erste Show in der Carnegie Hall. Aber lösen Sie sich von ihm – und zwar jetzt, solange Sie es noch können.«
    »Ich stehe nicht unter fremdem Einfluss«, sagte sie lachend.
    Rhyme erwiderte nichts darauf und spürte, dass sie darüber nachdachte, wie sehr Balzac sie in Wahrheit gängelte. Er wartete eine Weile ab und fuhr dann fort.
    »Nach allem, was wir getan haben, steht Kadesky in unserer Schuld. Amelia hat mir erzählt, dass Sie ganz begeistert vom Cirque Fantastique sind. Ich glaube, Sie sollten dort vorsprechen.«
    »Es gibt noch einen anderen Hinderungsgrund. Meine…«
    »Mutter«, fiel Rhyme ihr ins Wort.
    »Richtig.«
    »Ich habe mich mit Jaynene unterhalten.«
    Kara verstummte.
    »Lassen Sie mich Ihnen eine Geschichte erzählen«, sagte Rhyme.
    »Eine Geschichte?«
    »Ich war hier in New York der Leiter der forensischen Abteilung. Damit war auch der typische Verwaltungskram verbunden, wie Sie sich vorstellen können. Aber am meisten gemocht – und am besten beherrscht – habe ich die Tatortarbeit, also bin ich auch nach meiner Beförderung so oft wie möglich zum Einsatz gefahren. Nun, vor ein paar Jahren trieb in der Bronx ein Serienvergewaltiger sein Unwesen. Ich werde Ihnen die Einzelheiten ersparen, aber es war eine schlimme Sache, und ich wollte diesen Kerl erwischen. Ich wollte es unbedingt. Ein Streifenwagen meldete, es habe einen erneuten Überfall gegeben, und zwar erst vor einer halben Stunde. Wie es aussah, hatte der Täter reichlich Spuren hinterlassen. Ich bin hingefahren, um den Tatort persönlich zu untersuchen.
    Gerade als ich vor Ort eintraf, erreichte mich die Nachricht, dass mein Stellvertreter – und zudem mein guter Freund – einen Herzanfall erlitten hatte. Es stand schlecht um ihn. Was für ein Schock! Er war noch jung und eigentlich in guter Verfassung. Wie dem auch sei, er fragte nach mir.« Rhyme hielt kurz inne, weil Gefühle von damals wieder in ihm aufstiegen. »Doch ich bin geblieben, habe den Tatort untersucht und danach die Registrierkarten ausgefüllt. Erst dann bin ich ins Krankenhaus gefahren. Ich habe mich beeilt, aber es war zu spät. Er war eine halbe Stunde vorher gestorben. Ich war nicht stolz auf mich, und es tut nach all den Jahren immer noch weh, aber ich würde wieder das Gleiche tun.«
    »Sie wollen also sagen, ich sollte meine Mutter in irgendeine Bruchbude stecken«, entgegnete Kara verbittert. »Damit es billiger wird und ich endlich glücklich sein kann.«
    »Natürlich nicht. Suchen Sie ihr ein Heim, das ihr alles gibt, was sie braucht – Pflege und Zuwendung. Nicht was
Sie
brauchen. Nicht ein Reha-Zentrum, das Sie in den Ruin treiben wird… Was ich sagen will? Falls Sie erkannt haben, dass für Ihr Leben eine Bestimmung existiert, müssen Sie ihr unbedingt Priorität einräumen. Suchen Sie sich eine Anstellung beim Cirque Fantastique. Oder bei einer anderen Show. Aber Sie müssen weiterziehen.«
    »Wissen Sie, wie es in manchen dieser Altenheime zugeht?«
    »Tja, dann dürfte es Ihre Aufgabe sein, eines ausfindig zu machen, das Ihnen beiden gefällt. Verzeihen Sie meine unverblümte Art. Aber ich habe Ihnen ja von vornherein gesagt, dass ich nicht viel von falschem Taktgefühl halte.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Sehen Sie, Lincoln, selbst wenn ich mich dazu entscheiden sollte… Wissen Sie, wie viele Leute
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