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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)
Autoren: Sergej Lukianenko
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eigentlich heißt, weiß ich nicht.«
    »Was ist mit der Polizei?« Der Spitzname sagt mir nichts. Aber die Tatsache als solche … dass ein Mann, der in der Tiefe umgebracht wird, in der Realität stirbt!
    »Offiziell war es ein Zufall. Angeblich litt dieser Bastard an einem schwachen Herzen. Die Aufregung war zu viel für ihn, da ist er gestorben. So was kann doch passieren, oder?«
    Ich zucke die Achseln.
    Sicher. Man hat ja auch schon Pferde kotzen sehen.
    Es gibt Leute, die sind bei einem Spiel in der Tiefe voll bei der Sache – und kriegen dann in der normalen Welt einen Herzinfarkt. Andere driften nach einer Niederlage auch in eine solche Depression ab, dass sie den Helm absetzen und sich den Strick nehmen.
    Wie gesagt: Nichts ist unmöglich.
    »So ist das Leben«, bemerke ich. »Eine traurige Geschichte, Igel.«
    »Es wird übrigens auch gemunkelt, dass die Polizei immer noch ermittelt. Das ist nun wirklich mal was anderes.«
    Ach ja? Doch auch mich hatte man schon gejagt. Und einmal ist auf meinen Kopf sogar ein Preis ausgesetzt worden. Aber gut, die Jugend will ihren Spaß haben.
    Wenn ein Hacker allerdings in der Tiefe und in der Realität geschnappt wird, wenn die Jagd weitergeht …
    »Stimmt, das ist wirklich mal was anderes«, sage ich. »Echt. Danke, Igel, das war eine interessante Geschichte!«
    »Und ist meine Geschichte vielleicht auch einen jämmerlichen Dollar wert?«, fragt der Alte scheinheilig.
    Okay, ein Geheimnis hat er mir mit seiner Story nicht verraten. All das hätte ich auch anders in Erfahrung bringen können – wenn ich danach gesucht hätte. Aber du kriegst eben nie alle Neuigkeiten mit, was sowohl deine Rettung wie auch dein Unglück ist. Und Igel verdient sich sein Geld nun mal damit, dass er genau abwägt, wem er was erzählt. Neunzig Prozent aller Gäste in diesem Restaurant wäre diese Story keinen Pfifferling wert gewesen. Weitere neun Prozent würden sie zur Kenntnis nehmen und vergessen.
    Aber ich habe mich irgendwie an ihr festgebissen …
    »Das ist sie, Igel«, entscheide ich und halte ihm eine Dollarnote hin.
    Igel lässt sie geschickt in seiner Hand verschwinden und zieht ab. Gleich wird er jemand anderem etwas erzählen. Und ist es nicht völlig egal, was? Jeder wird etwas finden, was ihn fesselt. Denn Igel ist kein Alki, sondern ein ausgemachter Profi.
    Genau deshalb schätzen ihn ja auch alle, die Gäste ebenso wie der Besitzer des Fischerkönigs .
    Nun kommt auch mein Hecht.
    »Wie ist er zubereitet worden?«, erkundige ich mich mit einem Blick auf den gewaltigen Fisch.
    »Unser Chefkoch fühlte sich geehrt, ein derart extravagantes Gericht kreieren zu dürfen«, erwidert die Kellnerin lächelnd. »Das Hechtfleisch wurde zusammen mit in Milch eingeweichtem Weißbrot püriert …«
    All das muss ich wissen. Wenn ich etwas bestelle, das ich noch nie gegessen habe, muss man mir genau erklären, was ich zu mir nehme.
    Doch da vibriert die Welt plötzlich wie bei einem Erdbeben, fällt auseinander, versinkt in Dunkelheit.
    Offenbar darf ich mir das Essen abschminken …
     
    »Ljonka!«
    Ich schüttelte den Kopf und blinzelte. Die Welt nahm nur langsam und widerwillig wieder Farbe an.
    »Ljonka, hallo!«
    Vika betrachtete mich mit leicht ironischem Ausdruck. Sie hielt den Helm in der Hand, den sie mir abgenommen hatte, ohne ihn aus der Schnittstelle zu ziehen. In ihm flimmerten weiter irgendwelche Bilder.
    Ich warf erst mal einen Blick auf den Bildschirm. Die Anzeige Nicht-standardisierter Austritt aus der Tiefe wunderte mich nicht. Aber die Zeit …
    Fünf Uhr nachmittags. Was dachte sich Vika eigentlich? Um die Zeit konnte ich doch gut und gern noch arbeiten!
    »Vika, wieso hast du …«
    »Ljonka.« Sie ging neben mir in die Hocke. »Wir kriegen heute Besuch. Hast du das vergessen? Um sechs kommt Besuch. In der realen Welt.«
    »Scheiße!« Ich biss mir auf die Lippe. Das hatte ich in der Tat vergessen. »He, Rechner, Exit!«
    Soll der Rechner heruntergefahren werden?
    Vika seufzte, stand auf und ging in die Küche, während ich den Sensoranzug auszog. Der Computer ließ sich Zeit, bevor der Bildschirm schließlich schwarz wurde und das Gerät sich abschaltete.
    Ja … ich wollte den Rechner herunterfahren. Früher hatte er mich mit einer Stimme, die Vikas zum Verwechseln ähnlich war, gefragt: »Bist du sicher?«
    Gerade war ich mir mehr als sicher. So sicher, dass es mich selbst ankotzte.
    »Was soll ich einkaufen?«, fragte ich.
    »Das haben wir doch schon
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