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Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)

Titel: Der falsche Spiegel: Roman (German Edition)
Autoren: Sergej Lukianenko
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nicht vor ihm, eher macht er dich neugierig.
    »Hast du schon von dem Einbruch gehört?«, will Igel wissen, als er sich zu mir setzt. Er schielt zur Kellnerin, die mir bereits den Wodka und den Saft bringt.
    »Noch ein Glas«, bitte ich, obwohl mir nicht entgeht, dass auf dem Tablett bereits zwei Gläser stehen. Igel dürfte sich nicht ohne Hintergedanken im Fischerkönig herumdrücken. Möglicherweise ist er sogar hier angestellt, denn genau wie die Frauen in
den Bordellen die Freier zu einem teuren Getränk animieren, spornt auch er die Gäste zum Trinken an.
    »Danke«, bringt der Alte mit einem würdevollen Nicken heraus. Mit leicht zitternder Hand gießt er uns ein. Wir stoßen an und trinken auf ex. Igel hustet, isst aber nichts nach, sondern hält sich bloß den Arm vors Gesicht. Wie ein Trinker. Das habe ich bei ihm noch nie beobachtet.
    »Was für ein Einbruch?«, will ich wissen, als seine Aufmerksamkeit wieder mir gilt. Ich hole eine Schachtel Zigaretten heraus und biete ihm eine an.
    »Da ist diese Firma … New boundaries …«
    »Von der habe ich schon gehört«, sage ich. »Die machen in Software, oder?«
    »Nö«, widerspricht Igel und kichert. »Du steigst nicht ganz dahinter, was die machen. Anscheinend entwickeln sie neue ergonomische Tastaturen, designen Helme und besondere Stühle, auf denen du dir keine Hämorrhoiden einfängst. So Kram halt.«
    »Aha«, brumme ich. Seinen Wodka muss sich der Alte mit einer guten Geschichte verdienen, aber bisher hat er nicht mal die Zigarette abgearbeitet.
    »Ich muss los«, schnauft Igel. »Bin blank … kann nicht länger bleiben …«
    Ich sehe Igel fest in die Augen. Willst du etwa behaupten, Freundchen, es lohne sich, dir für deine Geschichte deinen Aufenthalt in der Tiefe zu bezahlen? Okay, ein Dollar macht mich nicht arm. Trotzdem!
    Geschlagene zehn Sekunden messen wir uns mit Blicken. Dann steht Igel auf – und ich kapituliere.
    »Setz dich!«, verlange ich und packe ihn beim Arm. »Ich hab heute die Spendierhosen an.«
    »Danke.« Der Alte schafft es, sich so locker wieder hinzusetzen, dass sogar ich mich frage, ob er wirklich gehen wollte. »Also …
diese Firma ist nicht sehr groß, arbeitet aber anscheinend für größere … für richtige Giganten.«
    Die Kellnerin bringt meine Suppe, von der ein köstlicher Duft ausgeht. Ich habe nicht die Absicht, Igel auch noch durchzufüttern, aber er macht auch keine entsprechenden Anspielungen. Ich fange an zu essen und bringe mit meinem ganzen Verhalten zum Ausdruck, dass ich bisher noch nichts gehört hätte, was sein Geld wert wäre.
    »Also, gestern wurde bei denen eingebrochen«, fährt Igel fort.
    Merkwürdig.
    »Gestern?«
    Die virtuelle Welt führt ein schnelles Leben. Die Nachrichten von gestern – sind der Schnee von gestern.
    »Ganz genau.« Igel ist nicht entgangen, dass ich gestutzt habe. »Der Kerl wurde auf frischer Tat geschnappt.«
    Mein Herz setzt fast aus.
    Der Kerl wurde auf frischer Tat geschnappt.
    Noch vor zwei Jahren hätte nun jeder an meiner Stelle gefragt: »Und? War es ein Hacker? Oder ein Diver?«
    Zwischen diesen beiden Gruppen hatte damals ein grundlegender Unterschied bestanden. Sowohl, was ihre Verteidigungsmöglichkeiten anging, wie auch in punkto ihrer Arbeitsmethoden.
    Er hatte bestanden … Heute erübrigt sich diese Frage jedoch – denn heute gibt es keine Diver mehr.
    »Den armen Kerl hat’s erwischt«, schnauft Igel. »Die haben einen guten Schutz. Ich meine jetzt nicht New boundaries , sondern einer der Giganten, für die sie arbeiten …«
    »In der Tiefe gibt es einen Hack pro Stunde«, bemerke ich, während ich den Rest der Suppe auslöffle. Die ist wirklich gut! Genau so eine Fischsuppe habe ich mal an der Wolga gegessen,
nachts, an einem Lagerfeuer … »Nein, pro Minute. Mal entkommt der Dieb, mal nicht. Was soll an dieser Geschichte so besonders sein?«
    »Dass sie ihn in der realen Welt erwischt haben«, antwortet Igel.
    »Dann muss er hinter einer echt heißen Sache her gewesen sein.«
    »Und dass er in der Realität tot war.«
    Während ich langsam den Kopf hebe, den Löffel zur Seite lege und mir mit der Serviette über den Mund wische, schafft Igel es, uns erneut einzugießen.
    »Erbarme dich, o Herr, der Seele deines Sklaven Bastard, der kein untalentierter Hacker war, grob, aber mit einem guten Herzen«, nuschelt Igel. Wir trinken auf ex, stoßen aber, wie es der Brauch verlangt, nicht an.
    »Bastard?«
    »Dieser Name wird genannt, ja. Wie er
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