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Der Fall von Thormain

Der Fall von Thormain

Titel: Der Fall von Thormain
Autoren: Ernst Vlcek
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sind. Sie bieten keinen schönen Anblick.«
    Vor ihnen war das Rauschen von Wasser. Mythor glaubte schon, dass dies vom thormainischen Brunnen stamme. Doch Yargh erklärte ihm, dass es sich dabei um die Abwässer der Stadt handle, die einfach in die Unterwelt abgelassen würden. Es begann bestialisch zu stinken, und Yargh machte einen großen Bogen um dieses Gebiet.
    Sie kamen in einen Gang, dessen Boden und eine Wand aus gewachsenem Fels bestanden, und dann erreichten sie eine Mauer aus kleineren Steinen und gebranntem Lehm.
    »Das sind bereits die Grundmauern thormainischer Häuser«, erläuterte Yargh, »die rund um den Brunnen stehen. Der Brunnenschacht ist geradewegs durch den Fels geschlagen worden. Es gibt von hier unten keinen Zugang. Wir müssen hinauf.«
    »Worauf wartest du denn noch?« fragte Mythor ungeduldig, als Yargh zögerte.
    »Ich möchte dir Gelegenheit geben, es dir nochmals zu überlegen«, sagte Yargh. »Vergiss den Brunnen, er bringt Unglück über jeden, der ihm zu nahe kommt. Nicht umsonst sind alle Häuser in seiner Nähe verlassen. Nicht einmal die Verfemten suchen hier Unterschlupf.«
    »Mach schon, Yargh!« drängte Mythor. »Sonst muss ich mich daran erinnern, dass du uns an Welleynn verraten hast.«
    Das machte Yargh Beine. Er stieg über eine halb verfallene Treppe hinauf, duckte sich und schlüpfte durch einen niedrigen Durchlass. Mythor folgte ihm und kam hinter ihm in eine schmale, überdachte Gasse, die weiter oben nach zehn Schritten vor halb verfallenen Hauswänden endete und in Stufen nach unten führte. Dort gabelte sie sich nach zwanzig Schritten. Yargh duckte sich furchtsam und schlich scheu in der Mitte der Gasse dahin, verstohlen zu den dunklen, türlosen Hauseingängen blickend. Er schrie entsetzt auf, als aus einem Hausflur ein Geräusch ertönte und dann ein Rudel schwarzer Schatten herausströmte und ihren Weg querte. Er beruhigte sich auch nicht, als Mythor ihm versicherte, dass es sich nur um aufgescheuchte Ratten handle.
    Sie erreichten die Abzweigung. Yargh brachte vor Angst keinen Ton über die Lippen und deutete stumm nach links. Mythor sah, dass die Straße nach dreißig Schritten auf einen größeren Platz mündete. Als er die Laterne hob, konnte er undeutlich ein Stück eines runden Aufbaus aus behauenem Stein erkennen und den hölzernen Stützpfeiler für ein steiles Schindeldach.
    »Ist das der thormainische Brunnen?« fragte Mythor.
    Yargh kam noch dazu, dies mit einem Nicken zu bestätigen. Aber bevor er ein Wort hervorbrachte, tauchten aus einem Hauseingang plötzlich mehr als zehn bewaffnete Gestalten auf und umzingelten sie.
    »Im Namen Argur von Solths, ihr seid festgenommen«, rief eine befehlsgewohnte Stimme. »Leistet keinen Widerstand, sonst machen wir euch nieder.«
    »Wir sind unbewaffnet«, sagte Mythor und zeigte seine leeren Hände. »Ihr müsst euch irren, denn Argur von Solth hat uns gerade erst freigelassen.«
    »Das hat schon seine Ordnung«, sagte der Anführer der Piraten. »Du bist der, den wir erwartet haben. Und wen haben wir denn da? Ist das nicht Yargh Mainer? Machst du also auch schon mit Spionen der Caer gemeinsame Sache?«
    »Ich habe nichts mit diesem Kerl zu tun«, beteuerte Yargh. »Er hat mich gezwungen, ihn zum thormainischen Brunnen zu führen.«
    »Das kannst du Welleynn erzählen, wenn du am Schultergalgen hängst«, sagte der Anführer der Piraten, und einige seiner Leute stimmten ein gezwungen klingendes Gelächter an.
    »Lass uns endlich von hier verschwinden!« sagte einer der Männer und sprach damit vermutlich das aus, was sie alle dachten. »Mann, werde ich mich besaufen, wenn ich dem Brunnen heil entkomme!«
    Mythor bekam einen Stoß in den Rücken. Jemand nahm ihm die Laterne ab. Er warf einen letzten Blick zurück. So nahe war er dem geheimnisvollen Brunnen schon gewesen, und trotzdem war es ihm nicht vergönnt, ihn zu erforschen. Die Klingen, die ihn in Schach hielten, ließen ihn jeden Gedanken an Flucht vergessen. Und da war auch noch Kalathee, die sich in der Gewalt des Argur von Solth befand. Die Sorge um sie tat ein übriges, dass er sich dazu entschloss, keinen Widerstand zu leisten.
    *
    Argur von Solth war ein großer, stattlicher Mann, der seine Männlichkeit durch kostbare Gewänder noch besser zur Geltung brachte. Aber bei genauerem Hinsehen zeigte sich, dass die Haut seines Gesichts schlaff und teigig war, und sein breiter Gürtel teilte seinen Wanst in zwei Fettwülste. Seine Hände hatten verlernt,
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