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Der Fall von Thormain

Der Fall von Thormain

Titel: Der Fall von Thormain
Autoren: Ernst Vlcek
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Gerechten hervor.
    Mythor überzeugte sich, dass Yargh ihm den Rücken zukehrte, dann setzte er den Helm auf. Sofort vernahm er wieder das Wispern in seinem Kopf, das sich noch verstärkte, als er sich in die Richtung wandte, in der der thormainische Brunnen liegen sollte. Das war die endgültige Bestätigung dafür, dass ihm der Helm mit seinen Einflüsterungen den Weg dorthin wies. Mythor wollte nicht mehr länger warten, um dieses Geheimnis zu ergründen.
    »Was treibst du denn?« fragte Yargh mit bebender Stimme. »Kann ich mich endlich umdrehen?«
    Mythor nahm den Helm ab und verstaute ihn wieder in dem Versteck. Dabei stießen seine Hände auf das Pergament. Kurz entschlossen holte er es hervor und entfaltete es. Wie immer, wenn er auf das Bildnis der darauf abgebildeten Frau blickte, überkam ihn eine seltsame Erregung. Er hätte stundenlang in dieser Betrachtung versinken können, ohne müde zu werden und ohne sich satt zu sehen.
    Mythor hatte sich schon oft die Frage gestellt, was für ihn vorrangiger war: die restlichen Fixpunkte des Lichtboten zu finden oder diese Frau, die ihm so ähnlich sah und zu der er sich wie magisch hingezogen fühlte. Er kannte die Antwort darauf nicht, und er hoffte, dass er nicht vor diese Entscheidung gestellt würde, sondern dass sich eines nach dem anderen von selbst ergab.
    Ein Laut, der aus Yarghs Richtung kam, ließ ihn in die Wirklichkeit zurückfinden, und schweren Herzens schob er das Pergament wieder in das Versteck zurück. Er erhob sich, richtete sich auf und gab Yargh die Erlaubnis, sich wieder umzudrehen.
    »Ist es dir noch ernst damit, auf diesem Weg zum thormainischen Brunnen zu gelangen?« fragte Yargh. »Ich mache dir einen besseren Vorschlag. Ich habe in einem Versteck meines Hauses ein kleines Vermögen angesammelt. Eigentlich wollte ich es zurücklassen und es mir irgendwann später holen. Aber wenn du willst, teile ich mit dir. Es ist genug.«
    Yargh verstummte, als er Mythors unerbittlichen Gesichtsausdruck sah. »Du führst mich jetzt zum thormainischen Brunnen, oder du erblickst das Licht der Oberwelt nicht mehr«, sagte Mythor und nahm die eine Laterne an sich.
    »Daran glaube ich sowieso nicht«, meinte Yargh resignierend, raffte mit der einen Hand seinen Kittel und setzte sich in Bewegung.
    Mythor ging voran, denn der Weg bis zu Yarghs Haus war ihm vertraut. Er war leicht zu finden, da Sadagar ihn mit Runenzeichen markiert hatte. Diesmal war von den Unbekannten, die das Licht scheuten, weil sie nach eigener Aussage einen viel zu abscheulichen Anblick boten, nichts zu sehen. Mythor war also ganz auf Yargh angewiesen.
    »Bist du sicher, dass dies der Weg zum thormainischen Brunnen ist?« erkundigte er sich zwischendurch, nachdem sie in unbekannte Regionen vorgedrungen waren und er die Führung Yargh überließ.» Wieso kennst du dich überhaupt aus, wenn du noch nie hier unten warst?«
    »Ich habe nur gesagt, dass mich keine zehn Drachen hier herunterbringen würden«, antwortete Yargh. »Aber früher einmal musste ich eine Zeitlang in der Unterwelt leben, weil mir der Boden in Thormain zu heiß geworden war. Es hat sich jedoch bald gezeigt, dass ich oben meines Lebens trotz allem sicherer war.«
    »Hast du damals auch welche kennengelernt, die das Licht scheuen und mit rauer, kaum verständlicher Stimme ein fremdartiges Gorgan sprechen?« erkundigte sich Mythor, während er Yargh durch die Irrwege zwischen den übereinander getürmten Steinblöcken folgte.
    Es ging mal aufwärts, dann wieder hinab und kreuz und quer durch die Unterwelt. Manchmal gelangten sie in größere Hohlräume, die sie in aufrechter Haltung durchqueren konnten, dann wiederum mussten sie auf allen vieren kriechen, über im Wege liegende Felsen klettern und über tiefe Spalten und Klüfte springen. Yargh erwies sich als überraschend behende und geschickt, so dass sie rasch vorwärts kamen.
    »Hier unten scheuen alle das Licht«, sagte Yargh. »Aber deine Beschreibung könnte auf die Aurogaer passen. Das sind ehemalige Nomaden aus dem tiefen Süden, die von den Piraten nach Thormain verschleppt wurden. Der Schmutz der Stadt ist ihnen nicht bekommen. Sie bekamen den Aussatz und flohen in die Unterwelt. Du bist doch nicht mit ihnen in Berührung gekommen?«
    »Nein«, log Mythor. »Ich habe nur einige aus der Ferne gesehen. Aber sie flohen den Schein meiner Laterne.«
    »Dann sei froh«, sagte Yargh erleichtert. »Sicher waren sie vermummt, sonst wüsstest du, dass es Aussätzige
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