Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee
Autoren: Rita Hausen
Vom Netzwerk:
Schlepptau zu Struensee und sagte: „Herr Graf, ich bringe Ihnen eine schlechte Nachricht.“ Er zog die Abschrift des Urteils aus der Tasche.
    „Das habe ich nicht anders erwartet“, antwortete Struensee, „lassen Sie mich´s nur sehen.“
    Mit unbewegter Miene las er die ganze Reihe fingierter Verbrechen, derer man ihn schuldig befunden hatte, die Beschimpfungen, die Wortklaubereien und offensichtlichen Unwahrheiten. Am Schluss hieß es dann, „ihm soll als wohlverdiente Strafe, als abschreckendes Beispiel und Warnung für andere seine rechte Hand, die er nach der Krone ausgestreckt hat, abgehauen werden, darauf sein Kopf. Sein Leib soll vom Henker gevierteilt und aufs Rad geflochten werden. Sein Kopf und seine rechte Hand sollen auf einen Pfahl gesteckt werden.“ Struensee gab Ulldal die Blätter zurück und sagte: „Ich hatte damit gerechnet, dass man mich lebend aufs Rand flechten würde, nachdem man mir die Knochen zerbrochen hätte. Viele Male habe ich mich voller Angst gefragt, wie ich das aushalten sollte. So gesehen bin ich fast erleichtert. Dass man mir den Grafentitel nimmt und mein Wappen zerbricht, ist lächerlich. Und was man nach meinem Tod mit meinem Körper anstellt, ist mir in höchstem Grade gleichgültig. Ob mein Fleisch in der Erde oder in der Luft verwest, ob es von Würmern oder Vögeln verzehrt wird, das ist doch völlig einerlei.“ Weder Ulldal noch Münter vermochten etwas zu sagen. Struensee fuhr fort: „Ich bin tief beunruhigt über das Schicksal meines Freundes Brandt. Was wissen Sie darüber?“
    „Sein Urteil ist dem Ihrigen völlig gleichlautend“, antwortete Ulldal. Struensee seufzte tief und schlug die Hände vors Gesicht. Nach langem Schweigen äußerte er: „Ob meine Staatsverwaltung politisch schlecht gewesen ist, kann ich nicht beurteilen, weil ich den Erfolg nicht erleben werde. Ich überlasse diese Entscheidung den Nachlebenden. Aber Ihnen sage ich hiermit ausdrücklich, dass ich keine bösen Absichten gehabt habe.“ Münter trat nun nahe an Struensee heran und sagte leise: „Die Vollstreckung wird schon in wenigen Tagen stattfinden.“
    „Wann?“, fragte Struensee ruhig.
    „Am 28. April.“
    Es blieben ihm also nur noch zwei Tage und drei Nächte. Struensee bat Ulldal und Münter, ihn allein zu lassen. Er überlegte erneut, womit er sich einen so großen Hass zugezogen hatte. Es war klar, dass der König nur benutzt wurde. Man hatte ihm gewiss irgendetwas Nachteiliges erzählt und verwehrte ihm eine persönliche Aussprache mit seinem ehemaligen Minister. Es gab noch die Möglichkeit der Begnadigung in letzter Minute, aber er machte sich wenig Hoffnung, denn die Leute, die ihn gestürzt hatten, würden das verhindern.
    Er hatte mit Sicherheit die höheren Kreise verärgert, deren Rechte und Privilegien er beschneiden musste. Aber das Volk!? Er begann langsam zu begreifen, was sein Fehler gewesen war. Es gehört zum Wesen der Freiheit, dass jeder sie für sich selber finden muss. Eine Freiheit von oben herab, wie er sie verordnet hatte, konnte es nicht geben. Man muss sie zusammen mit den Geknechteten erringen. Und allzu leicht kann der, welcher anderen die Freiheit bringen will, zu einem Tyrannen werden. Dennoch war er mit großer Klarheit davon überzeugt, dass es notwendig und dringlich war, einen gerechteren Staat zu errichten. Aber er hatte in Unerfahrenheit und Eile zu viele Fehler gemacht. Gewiss, was er gewollt hatte, war gut, aber der Weg dahin war es nicht. Vielleicht würden Erneuerer nach ihm bessere Wege finden. Er war seiner Generation vorausgeeilt. Nachgeborene würden den Anbruch des Tages sehen, den er erhofft und für den er gearbeitet hatte.
    Am 28. April betrat Juel um sieben Uhr morgens die Zelle. Struensee schlief noch. Er berührte ihn leicht an der Schulter. Struensee fuhr hoch und fragte benommen: „Ist es schon so weit?“
    „Ja“ , sagte Juel missmutig und befreite Struensee von seinen Ketten. Er goss Wasser in eine Schüssel, damit Struensee sich waschen konnte. Der Barbier der Zitadelle kam und rasierte ihn. Ein anderer Wärter folgte, die Hoftracht des Gefangenen über dem Arm. Struensee streifte seine alte Kleidung ab und zog feine Unterwäsche über, ein seidenes Hemd mit Spitzenjabot, eine Weste aus kostbarem Brokat, eine schwarze Kniehose aus Taft und einen Rock aus blauem Samt, der mit Litzen und Stickereien reich verziert und mit großen silbernen Knöpfen versehen war.
    Pastor Münter betrat die Zelle im Talar mit steifer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher