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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee
Autoren: Rita Hausen
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„Wissen Sie etwas über das Schicksal meiner Brüder?“
    „ Sie wurden des Landes verwiesen.“
    Struensee atmete hörbar auf und fragte: „Was ist mit Falckenskiold?“
    „Sitzt im Kerker. Auch Reverdil wurde arretiert.“
    „Warum das denn, um Himmels willen?“ Münter zuckte mit den Schultern und sagte: „Da sehen Sie, es geht nicht nur um Ihr eigenes Schicksal. Sie haben auch andere mit ins Unglück gerissen.“ Struensee traten Tränen in die Augen, als er beteuerte: “Das tut mir sehr leid. Aber das werden Sie mir doch nicht anlasten wollen.“
    „Wem sonst?“
    „Nun, den Leuten, die sich gegen mich verschworen haben. Nichts von dem, was sie mir vorwerfen, ist wahr!“
    „Aber Sie haben doch eingestanden, ein Verhältnis mit der Königin gehabt zu haben.“
    „Das ja, aber ich habe nicht den König stürzen wollen oder ihm gar nach dem Leben getrachtet. Warum lässt man mich nicht mit ihm sprechen? Warum werden alle Verhandlungen hinter verschlossenen Türen abgehalten? Man will mich einfach nur vernichten. Glauben Sie etwa, dass es dabei um Gerechtigkeit geht?“
    „Ihr ehebrecherisches Verhältnis zur Königin reicht völlig aus, um Sie vor Gericht zu bringen. Aber ich bin nicht Ihr Richter. Hören Sie auf Ihren Vater. Und auf mich. Retten Sie Ihre Seele! Dem Tod werden Sie nicht entgehen.“ Struensee begann zu weinen und Münter glaubte, ihn jetzt so weit zu haben. „Bekehren Sie sich zu Gott und bereuen Sie Ihre Verfehlungen!“ Doch Struensee schüttelte den Kopf und sagte nichts mehr. Münter faltete seine Hände vor der Brust und betete leise. Dann ging er.
    Wenige Tage später kam ein Schreiber des Gerichts und brachte Struensee Papier, Feder und Tinte. Es wurde ihm aufgetragen, eine Verteidigungsschrift zu verfassen. Einen Moment lang war er irritiert und fragte sich, was das zu bedeuten hatte. Aber dann begann er aufzuschreiben, was er sich im Geist schon viele Male zurechtgelegt hatte.
    „Nach den gegen mich erhobenen Anklagen und Vorwürfen wird nichts schwerer sein, als Rechenschaft abzulegen über meine Absichten und Beweggründe, die mich bei meinen Regierungsgeschäften geleitet haben. Vorweg möchte ich einräumen, dass sich Irrtümer und scheinbare Widersprüche eingeschlichen haben können, die nicht unbedingt in meiner Absicht gelegen haben.
    Dass ich eine so hohe Position am Hofe eingenommen habe, verdanke ich weniger dem Zufall als meiner unermüdlichen Tätigkeit und meinen Bemühungen, obwohl ich sie niemals direkt anstrebte. Meine Absicht war nicht, mein Glück am Hof zu machen, auch hätte ich mich dazu niemals unlauterer Mittel bedient, sondern ich wollte Einfluss erlangen, um der Gesellschaft nützlich zu sein.
    Ich hätte mich gerne auf die ärztliche Tätigkeit beschränkt, wenn ich nicht bemerkt hätte, dass es viele Probleme im Gesundheitswesen gibt, die sich nur auf einem politischen Wege lösen lassen. Dennoch war ich während der Reise des Königs durch Europa nur auf den Gesundheitszustand seiner Majestät ausgerichtet und hielt mich in politischen Dingen zurück. Ich versuchte, beim König Lust an Beschäftigungen zu wecken und seiner Lebensart eine gewisse Ordnung zu geben. Dabei habe ich ihm aufrichtig und ohne Zurückhaltung alles gesagt, was ich für wahr und richtig hielt, ohne mich durch die Furcht, seine Gunst zu verlieren, davon abhalten zu lassen.“
    Wäh rend Struensee die Anklage der Untersuchungskommission Punkt für Punkt zurückwies, verfasste Pastor Münter eine Geschichte über die Bekehrung des vormaligen Grafen Struensee. Er schrieb darüber, dass er bestrebt war, bei dem Delinquenten ein Gefühl für das Unrecht zu erwecken, das er begangen habe. Er berichtet, dass es ihm gelungen sei, Struensee dazu zu bringen, von seiner leichtsinnigen Denkungsart Abstand zu nehmen, die ihn in diese Tiefe des Elends gestürzt habe. Er habe ihm verdeutlicht, wie sehr er von den Trieben des Ehrgeizes und den Reizen der Wollust beherrscht gewesen war.
    Münter lässt ihn schließlich ausrufen: „Ich hoffe und wünsche jetzt die Unsterblichkeit“, die er zuvor so hartnäckig geleugnet hatte. Es sei ihm gelungen, Struensee klar zu machen, wie unmoralisch seine Handlungen gewesen waren. Er habe ihn in die tiefste Verzweiflung sinken lassen, um ihn dadurch zur Rückkehr zu Gott zu bewegen. Kurz, Münter verdeutlicht, wie sehr er sich darauf verstand, bei einem Menschen ein schlechtes Gewissen hervorzurufen, jener Peitsche, die die Religion erfunden hat, um
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