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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee
Autoren: Rita Hausen
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wider Willen bäumte sich sein Körper dagegen auf. Die Henkersknechte pressten ihn mit Gewalt auf den Block zurück. Dann traf das Beil seinen Nacken und die Welt erlosch. Er spürte nicht mehr, dass der Henker ein weiteres Mal zuschlagen musste, bevor sein Kopf zu Boden rollte, vom blutbesudelten Henker hochgerissen und der gaffenden Menge gezeigt wurde.
    Die schwieg merkwürdigerweise dazu. Kein Gejohle, kein Geschrei. Aber Tausende sahen zu, wie man den Körper des Enthaupteten mit einer großen Axt auseinander schlug, Herz und Leber herausriss und die Kadaverteile zu denen von Brandt auf den Schinderkarren warf. Die Henkersknechte brachten die Leichenteile wenig später zum Rabenstein, wo sie die Köpfe und Hände auf Stangen setzten und die Glieder und Gedärme auf große Wagenräder legten.
    In Kopenhagen hatte es eine solch blutige Hinrichtung schon seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben und die Leute wussten nicht so recht, was sie davon halten sollten. Für den Abend war eine Oper angesetzt, ein heiteres Stück, so wie es der König liebte. Zuvor bat er noch zu einem Souper im kleinen Kreis. Dem König sollte in diesen Tagen nichts die gute Laune verderben. Eilig wurde das Blutgerüst auf dem Osterfeld von schwarzen Sklaven aus den westindischen Kolonien wieder abgetragen. Auch um diese hatte sich Struensee während seiner Amtszeit gekümmert, hatte für ausreichende medizinische Versorgung und angemessene Rechtsprechung gesorgt. Am liebsten hätte er wohl die Sklaverei ganz abgeschafft, sein Tod hatte das verhindert. So konnte der fromme Pastor Münter weiterhin als Aktionär der westindischen Handelsgesellschaft Gewinne aus dem Sklavenhandel und der Sklavenarbeit ziehen. Über solche Themen schwieg er, als er mit seiner Veröffentlichung über die Bekehrung Struensees Furore machte.
    Owe Guldberg, der neue Minister des Königs, war bestrebt, alles, was mit Struensee verbunden war, rasch in Vergessenheit zu bringen. Deshalb war es keine Frage, dass sämtliche Reformen widerrufen wurden. Die dänische Staatslotterie allerdings blieb bestehen.
    Orden und Titel regneten auf die Verschwörer nieder. Rantzau, Eickstädt und Köller stiegen zu Generälen auf. Sie erhielten den Danebrog-Orden, Rantzau sogar den Elefanten-Orden, die höchste Auszeichnung in Dänemark.
    Guldbergs größte Schwierigkeit war die Königin. Sie war jung, schön und liebenswürdig. Es bestand die Gefahr, dass sie das Volk für sich einnehmen würde. Wie schnell konnte die Empörung über den Ehebruch umschlagen in Mitleid über das grausame Ende ihres Geliebten! Wie leicht könnte es geschehen, dass sich die Unzufriedenen am Hofe und auf dem Land um sie scharen könnten. So blieb sie eine fortwährende Gefahr für sein Regime.
    Er beriet sich behutsam mit dem englischen Gesandten, Lord Keith. Nach einigen Verhandlungen kamen sie überein, Mathilde in die hannoverschen Besitzungen des englischen Königs zu bringen, wo ihr eine Wohnung in der Stadt Celle zur Verfügung stünde. Guldberg wäre ein Aufenthaltsort in England lieber gewesen, aber ihm war wichtig, das Problem schnell loszuwerden, und so willigte er in den Vorschlag des Gesandten ein.
    „Ich verlange“, sagte Lord Keith, „dass ich in Kronborg frei ein-und ausgehen kann, um mit der Königin alles zu arrangieren.“
    „Selbstverständlich“, antwortete Guldberg rasch, „ein Sekretär wird Ihnen den Pass sofort ausstellen.“
    Lord Keith fand Mathilde auf der hinteren Bastion von Kronborg. Dies waren der Sage nach der Hof und die Wälle, auf denen einst, vor Jahrhunderten, der Geist des ermordeten Dänenkönigs seinem Sohn Hamlet erschienen war. Mathildes weißes Gesicht stand in scharfen Kontrast zu ihrer schwarzen Trauerkleidung. Der Wind wehte unangenehm von Meer herüber, obwohl es ein sonniger Tag im Mai war. Mathilde ging rasch auf den Lord zu, griff nach seiner Hand und seufzte: „Endlich!“
    „Ich bringe Eurer Majestät gute Nachricht. Ihr seid frei.“ Er erklärte ihr, was er mit Guldberg vereinbart hatte, während sie in die Ferne blickte. „Was ist mit meinen Kindern?“, fragte sie bange. „Die müssen in Dänemark bleiben“, sagte er leise.
    Sie schlug die Hände vors Gesicht und begann zu schluchzen. „Ich verstehe Ihren Schmerz, Madame. Aber für die Kinder wird gut gesorgt werden. So oft ich kann, werde ich nach ihnen sehen.“
    „Es wäre gnädiger gewesen, auch mich dem Henker auszuliefern“, sagte Mathilde matt. Lord Keith blickte verlegen zu
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