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Der Fall Struensee

Der Fall Struensee

Titel: Der Fall Struensee
Autoren: Rita Hausen
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Halskrause. Nun wurde es langsam ziemlich eng in dem Verlies, als auch noch ein Leutnant an der Tür Stellung bezog. Juel brachte Struensee eine Tasse mit heißem Kaffee. Struensee genoss das belebende Getränk, das einen köstlichen Duft verbreitete, mit geschlossenen Augen. Kaffee hatte er während seines gesamten Aufenthalts in der Zitadelle nicht bekommen. Münter fragte: „Möchten Sie mir noch irgendetwas mitteilen?“ Struensee schüttelte den Kopf und sagte: „Lassen Sie uns gehen.“ Sie schritten einen langen schnurgeraden Gang entlang und traten in das Sonnenlicht des Aprilmorgens hinaus. Der Gefangene blinzelte und beschattete seine Augen mit der Hand.
    Draußen warteten drei Kutschen, mit je zwei Pferden, von Dragonern umringt. Struensee sah, wie Brandt in eine der Kutschen kletterte. Der Freund wandte sich kurz zu ihm um, bevor der Schlag geschlossen wurde. Es war schmerzlich für Struensee, kein einziges Wort mit Brandt reden zu können. Aber was hätte es auch genützt?
    In dem Augenblick, da die Zugbrücke heruntergelassen und das Tor geöffnet wurde, begann die Totenglocke zu läuten. Ein wimmernder dünner Ton, dennoch weithin zu hören. Die Kutschen der beiden Delinquenten waren dicht umgeben von Reitern mit gezogenen Säbeln. In der dritten saßen Generalfiskat Wiwet und die beiden Geistlichen, Pastor Münter und Pastor Hee. Die Straßen, Häuser und Gesichter der Menschen, die Struensee über drei Monate nicht gesehen hatte, nahm er wie in einem Traum wahr, von dem man meint, dass er sich jeden Moment auflösen wird.
    Die Infanteristen, die zu beiden Seiten der Straße mit präsentiertem Gewehr standen, kamen ihm vor wie Zinnsoldaten, die man einem Spielzeugkasten entnommen hatte. Die drei Wagen bewegten sich im Schritttempo der Stadtgrenze entgegen zum Osterfeld. In der Mitte des Feldes ragte das Blutgerüst, ein Holzgestell mit schwarzem Stoff beschlagen, wie ein dunkler Würfel auf. Eine riesige Menge von Schaulustigen war hier zusammengekommen, auch viele Kinder. Das gedämpfte Stimmengewirr verstummte, als die Kutschen in Sichtweite kamen. Alle Gesichter wandten sich wie auf Kommando den Wagen zu, die vor dem Gerüst zum Stehen kamen. Struensee sah, wie Brand aus der Kutsche stieg, in einem prächtigen grünen Rock und mit bleichem Gesicht.
    Struensee schlug sich die Hände vors Gesicht und beugte den Kopf vor. Es war sehr still. Als Struensee wieder aufsah, flatterte ein Stück des schwarzen Tuches im Wind. Brandt stieg die hohe Leiter hinauf, sein Urteil wurde verlesen. Dann setzte ein Trommelwirbel ein und wenige Augenblicke später war es vorbei. Der Henkersknecht hielt Brandts Kopf am Haarschopf in die Höhe. Die Menge heulte und schrie. Brandts Körper wurde von den Henkersknechten in den Schinderkarren geworfen, der unter dem Blutgerüst stand. Dort wurde sogleich mit der Vierteilung begonnen. Struensee stieg ungeschickt, mit Gliedern wie aus Blei, aus der Kutsche und wäre beinahe gefallen, hätte ihn nicht einer der Offiziere, die neben der Kutsche standen, festgehalten.
    Ohne etwas wahrzunehmen, taumelte er an den Soldaten vorbei und kletterte die steile Treppe zum Schafott hinauf. Oben angekommen spürte er, wie der Seewind in seine Haare griff. Das hatte etwas ungeheuer Lebendiges und mit einem Mal bemerkte er auch die vielen Gesichter der Menschen, die zu ihm aufschauten. Für ein paar Sekunden fühlte er sich erneut eins mit der großen Symphonie des Lebens, sogar angesichts seines Todes. Es war eine kurze, doch sehr intensive Empfindung.
    Die Bretter des Blutgerüstes waren glitschig vom Blut seines Freundes. Vor dem Richtblock hatte man eilig Sägespäne gestreut, die sich rötlich verfärbten. Es roch nach Blut. Sein Ankläger verlas das Urteil, doch der Wind zerfetzte die Worte und trug sie davon. Pastor Münter sprach ein Gebet, auch das verwehte. Der Henker und sein Gehilfe traten vor. Der Henkersknecht nahm ein Holzschild von Boden auf, auf das das Wappen Struensees gemalt war. Er hob es hoch und zeigte es dem Volk. Dann ergriff der Henker mit muskulösen Armen eine Axt und schlug das Schild entzwei. Ein Soldat trat auf Struensee zu, half ihm den Rock auszuziehen und führte ihn zum Block.
    Struensee kniete nieder und versuchte den Kopf auf dem blutigen Block in die richtige Lage zu bringen. Seine rechte Hand lag auf einem weiteren Block. Der Henker hob ein riesiges Beil und ließ es auf das Handgelenk Struensees hinabsausen. Ihn durchfuhr ein wahnsinniger Schmerz und
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