Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge
Autoren: Èmile Gabroriau
Vom Netzwerk:
ihn am Montagmorgen aufsuchen.
    Solche Erfolge sozusagen in der Tasche, ging Tabaret am Montagmorgen in die Rue de Jerusalem, wo er etwas über das Vorleben der Madame Lerouge zu erfahren hoffte. Die Ermittlungen hatten aber noch zu keinem Erfolg geführt. Dafür traf er, nachdem er auf der Treppe Daburon abgeschüttelt hatte, in einem der endlosen Korridore auf Gevrol und den Mann mit den Ohrringen.
    Der Chef der Detektive begrüßte den Alten mit deftigem Spott.
    Â»Na, Sie Schnüffler!« rief er. »Haben Sie wieder was Besonderes ’rausgekriegt, womit Sie mich endlich von meinem Stuhl fegen können?«
    Â»Machen Sie sich nur über mich lustig«, sagte Tabaret zum Erstaunen Gevrols mit einer Leidensmiene. »Ich habe es nicht besser verdient.«
    Â»Ist Ihnen wieder mal was Exquisites gelungen, mein alter, allzu alter Freund?«
    Â»Reden wir nicht davon.« Traurig schüttelte Tabaret den Kopf. »Mir ist es gelungen, einen Unschuldigen hinter Gitter zu bringen. Und jetzt will ihn das Gericht nicht wieder ’rausrücken«
    Gevrol rieb sich befriedigt die Hände.
    Â»Einmalig, so etwas, unwiederholbar! Ein Stümper, wer einen Verbrecher ins Kittchen bringt. Das kann jeder. Aber einen Unschuldigen so ’reinzureißen, daß man ihn nicht wieder ’rauskriegt, das nenne ich Kunst. Mein Kompliment, Vater Tabaret. Ich bewundere Ihr Genie!« Gevrol lüftete den Hut.
    Â»Seien Sie nicht so streng mit mir«, bat der Alte. »Sie wissen doch, daß ich trotz der grauen Haare ein Anfänger in diesem Beruf bin. Ich habe mich überschätzt und das dann zu spät gemerkt. Mir sind ein paar Erfolge zu Kopf gestiegen. Sie waren mir immer voraus, Gevrol. Also haben Sie die moralische Pflicht, mir zu helfen, statt zu lachen. Stehen Sie mir mit Ihren Erfahrungen und Ihrem Rat zur Seite.«
    Diese Rede war ganz nach Gevrols Geschmack. Sie schmeichelte seiner Eitelkeit, denn er hielt doch ziemlich viel von den Fähigkeiten des Alten, auch wenn er sich eher einen Finger abgebissen hätte, als das zuzugeben.
    Â»Sie spielen wohl auf den Mord in Jonchère an?. sagte er freundlich, fast gönnerhaft.
    Â»Auf was denn sonst? Ich wollte die Sache allein machen, ohne Sie. Das ist mir übel bekommen ... Während er vor dem Chefdetektiv katzbuckelte, dachte er: Friß nur meine Schmeicheleien. Ich habe noch mehr davon auf Lager. Hauptsache, du tust, was ich will. Gevrol rieb den Zeigefinger unter der Nase hin und her, schob die Unterlippe vor und murmelte etwas Unverständliches. Es machte ihm Spaß, den Alten zappeln zu lassen.
    Â»Nur Mut, Tabaret«, sagte er, nachdem er sich lange genug den Anschein des Nachdenkens gegeben hatte. »Ich bin ja doch gar nicht so. Wenn ich kann, will ich Ihnen gern unter die Arme greifen. Nur heute, leider, geht das nicht, heute habe ich zuviel zu tun. Wenn Sie mich morgen mal aufsuchen würden, dann könnten wir alles besprechen. Wissen Sie übrigens, wer der Zeuge ist, den ich aufgestöbert habe?«
    Â»Nein.«
    Â»Der Ehemann der Lerouge.«
    Â»Machen Sie keine faulen Späße mit mir!«
    Â»Das ist kein Spaß. Fragen Sie ihn doch, wie er heißt und mit wem er verheiratet war.«
    Â»Aber Madame Lerouge war doch Witwe!« rief Tabaret.
    Â»Ihr glücklicher Gatte ist jetzt Witwer.«
    Â»Aber das ist ja ...« Tabaret fehlten die Worte. »Hat er etwas Wichtiges auszusagen?«
    Â»Und ob!«
    Fröhlich und kurz teilte Gevrol seinem Rivalen die Geschichte, die Lerouge dem Richter vortragen würde, mit.
    Â»Nun? Ist das eine Geschichte?« fragte er strahlend, als er mit dem Bericht zu Ende war.
    Â»Sie haben recht: Das ist eine Geschichte!« Tabaret blickte besorgt und nachdenklich drein. »Was soll ich dazu sagen?«
    Â»Sie sehen aus, als hätte Ihnen ein Pferd ins Kreuz getreten. Kopf hoch, Tabaret.«
    Â»Ach, lieber Gott!« Tabaret fiel der Bäcker aus Asnieres ein, der am Morgen in seine Wohnung kommen wollte. »Mein Bäcker! Adieu, Gevrol, bis morgen.«
    Â»Bei dem ist ein Sparren locker«, sagte Gevrol, als er den Alten den Korridor hinunterhasten sah.
    Das also ist bei alledem herausgekommen, dachte Tabaret, als er die Treppen des Justizpalastes hinunterging. Noël wird nicht gerade entzückt sein. Aber er soll sich nichts draus machen. Ich adoptiere ihn, wenn er will. »Tabaret«, das hat zwar nicht das Gewicht von
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher