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Der Fall Lerouge

Der Fall Lerouge

Titel: Der Fall Lerouge
Autoren: Èmile Gabroriau
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Geld schuldet, seien Sie beruhigt. Der Fuchs will eine gute Partie machen. Daraufhin habe ich ihm eben erst einen Wechsel über sechsundzwanzigtausend Francs prolongiert. Auf Wiedersehen, Vater Tabaret!«
    Tabaret blieb wie versteinert zurück. Bitter stieg ihm der Kummer in die Kehle, wie einem Vater, wenn er einsehen muß, sein Sohn könnte ein Gauner und vielleicht sogar Ärgeres sein.
    Verzweifelt wehrte er sich gegen diese Vorstellung. Wußte er denn überhaupt, ob dieser Halsabschneider nicht log? Leuten von seinem Kaliber war das Böseste zuzutrauen.
    Als er durch die Haustür gehen wollte, versperrte ihm eine schöne, junge Brünette, ganz in Seide und Spitzen gehüllt, den Weg, huschte an ihm vorbei und sprang in die blaue Chaise.
    Tabaret war noch immer ein Verehrer weiblicher Schönheit, und das Mädchen war wirklich entzückend. Aber er hatte heute keinen Blick für das Graziöse. Ihn interessierte mehr der Pförtner, der mit dem Hut in der Hand vor seiner Loge stand und verzückt auf ein Zwanzigfrancstück blinzelte.
    Â»Das war wirklich eine Dame«, sagte der Pförtner. »Monsieur, wenn Sie fünf Minuten früher gekommen wären ...«
    Â»Was wäre dann?« unterbrach ihn Tabaret.
    Â»Dann hätten Sie hören können, wie sie mir ein paar Fragen gestellt hat. Über Monsieur Gerdy. Und zwanzig Francs hat sie mir gegeben. Für die Mühe. Sieht so aus, als wollte Monsieur Gerdy heiraten. Das hat sie, die Dame, meine ich, in Brast gebracht. So eine wie die, würde ich ja nicht sausen lassen. Jetzt versteh’ ich auch, warum er nachts so oft abhaut.«
    Â»Wer? Monsieur Gerdy?«
    Â»Natürlich. – Aber ich will nichts gesagt haben. Scheint so, als sollte es niemand wissen. Er hat sich von mir ja auch nicht die Haustür aufsperren lassen. Nie. Immer hintenraus ist er, durch die kleine Tür. Wollte mich nicht stören ...«
    Die letzten Worte hörte Tabaret schon nicht mehr. Er lief die Straße hinunter.
    Â»Sieh da, der Alte! Läuft noch immer hinter den Weibern her«, sagte der Portier.
    Und damit hatte der Portier gar nicht so unrecht. Tabaret verfolgte wirklich das blaue Coupé mit der Dame, die ihm wahrscheinlich einiges erzählen konnte, was er wissen wollte. Jetzt war die Gelegenheit, alles über Noël zu erfahren, zum Greifen nahe.
    Doch sosehr er sich auch mühte, der Abstand zwischen dem Wagen und ihm vergrößerte sich zusehends. Zum Glück stieß er in der Rue de Trouchet auf eine vorbeifahrende leere Droschke. Er schwang sich aufs Trittbrett und rief, völlig außer Atem, dem Kutscher zu: »Das blaue Coupé dahinten! Schnell dem nach! Zwanzig Francs!«
    Â»Wird gemacht!« sagte der Kutscher, nachdem er einen kritischen Blick auf seinen eiligen Fahrgast geworfen hatte. Ein eifersüchtiger Ehemann, der hinter seiner Alten her ist, dachte er. »Hü, alte Zosse!«
    Es dauerte einige Zeit, bis Tabaret wieder zu Atem kam. Jetzt ärgerte er sich, wie ein Irrer hinter einem Wagen hergelaufen zu sein, anstatt Clergeot nach der Adresse gefragt zu haben.
    Plötzlich sprang er im Wagen auf, hielt sich am Kutschbock fest und rief: »Wo ist das blaue Coupé? Ich sehe es nicht mehr!«
    Â»Aber ich!« entgegnete der Kutscher. »Das ist ein verdammt gutes Pferd da vorn.«
    Â»Sorgen Sie dafür, daß Ihres besser wird. Ich biete Ihnen vierzig Francs!«
    Vierzig Francs! Der Kutscher drosch unbarmherzig auf seine alte Mähre ein. Daß so ein häßlicher alter Knabe noch so eifersüchtig sein kann.
    An der Chaussee d’Antin hatte das Coupé nur noch einen Vorsprung von etwa dreißig Metern. Wenig später wandte sich der Kutscher zu Tabaret um.
    Â»Das Coupé hält«, sagte er.
    Â»Dann halten Sie auch, und warten Sie, bis es wieder abfährt.«
    Die junge Dame stieg aus, überquerte die Straße und verschwand in einer Handlung für Seidenwaren und Spitzen.
    Aha, hier ist also eins der Gräber für Noëls Vermögen, dachte Tabaret. Eine halbe Million in vier Jahren! Kaum zu glauben.
    Die nächste Station für das Coupé war wenig später ein Antiquitätenladen.
    Kauft die denn ganz Paris leer? Vater Tabaret geriet in Rage. Wenn Noël etwas mit dem Mord in Jonchère zu tun hat, dann hat sie ihn auf dem Gewissen. Da werden wohl gerade meine fünfzehntausend unter die Leute gebracht. Wenn er die
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