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Der Fall Demjanjuk

Der Fall Demjanjuk

Titel: Der Fall Demjanjuk
Autoren: Heinrich Wefing
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wiederum als Wache, in dem KZ Lublin-Majdanek, und bald darauf, am 27. März 1943 wurde er in das Vernichtungslager Sobibor verlegt. So steht es jedenfalls in dem Dienstausweis.
    Demjanjuk hat immer bestritten, mit den Deutschen kollaboriert zu haben. Wieder und wieder hat er beteuert, er sei nie in Trawniki gewesen, schon gar nicht in Treblinka oder Sobibor.
    Die wahrscheinlich leidenschaftlichste Selbstverteidigung, jedenfalls die ausführlichste, versuchte Demjanjuk, als er in Jerusalem vor Gericht stand. Beim Kreuzverhör fragte ihn einer seiner eigenen Anwälte, John Gill, ob er je von der SS rekrutiert worden sei. «Wenn das Gericht erlaubt», erwiderte der Angeklagte, «möchte ich eines sagen, und nur eines: Ich bin nicht der Henker, von dem Sie sprechen. Ich war niemals in Trawniki oder in Sobibor.»
    Wegen eines technischen Problems musste Demjanjuk seine Antwort noch einmal wiederholen. Aber er sagte nicht einfach von Neuem, was er eben zu Protokoll gegeben hatte, er wurde pathetisch. «Seit dem Beginn des Prozesses», hob er an, «sitze ich hier und sehe die Schatten des Todes des verfluchten Treblinka. Mein Herz bricht, und ich bedauere zutiefst, was Ihrem Volk von den Nazis während des Zweiten Weltkriegs angetan wurde, nur weil sie Juden waren. Bitte glauben Sie mir das, bitte legen Sie mir nicht die Schlinge um den Hals für Verbrechen, die andere begangen haben.»
    Doch der Vorsitzende Richter Levin gab sich damit nicht zufrieden. Er erinnerte Demjanjuk daran, dass er die Frage nicht beantwortet habe: ob er rekrutiert worden sei, und wenn ja, wohin man ihn geschickt habe.
    Aber Demjanjuk formulierte wieder umständlich: «Euer Ehren, ich habe gerade gesagt, dass ich niemals in meinem Leben in Treblinka oder Trawniki oder in Sobibor gewesen bin. Bitte glauben Sie mir.»
    Ob er jemals von der SS rekrutiert worden sei, insistierte der Richter.
    «Nein, niemals», antwortete Demjanjuk endlich.
    Und der Dienstausweis? Alles Lüge, behauptet John Demjanjuk bis heute, eine Fälschung der Sowjets.
    Es geht um sechs Monate seines Lebens, um sechs Monate des Jahres 1943. Sechs Monate, um die seit Jahrzehnten juristisch gekämpft wird. Sechs Monate, die sich in Demjanjuks Leben gebohrt haben wie ein Widerhaken. Sechs Monate, die er seit Jahrzehnten abzustreifen versucht. Die ihn aber immer wieder einholen.

Der amerikanische Traum
    Vereinigte Staaten, 1952–1977
    Mehr als 25 Jahre lang hat John Demjanjuk den amerikanischen Traum gelebt. Den Traum, dass in der Neuen Welt jeder noch einmal von vorn anfangen kann, ganz gleich, was er vorher getan hat. Den Traum vom kleinen Glück, das allen Fleißigen und Gottesfürchtigen winkt, wenn sie sich nur mächtig ins Zeug legen.
    Am 9. Februar 1952 ist Demjanjuk mit seiner Frau Vera und ihrer kleinen Tochter Lydia an Bord der «General Haan» im Hafen von New York angekommen. Vera weint beim Anblick der Freiheitsstatue, wie ungezählte Einwanderer vor ihr. Und wie fast alle Neuankömmlinge ist auch die kleine Familie Demjanjuk entschlossen, die grässlichen Erinnerungen an die Alte Welt, an den Hunger und den Krieg, hinter sich zu lassen.
    Sieben Jahre hat Demjanjuk auf die Einreise in die USA gewartet, hat sich in Bayern mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen. Mal heuert er bei der US-Army als Lastwagenfahrer an, mal schuftet er für die Baufirma Polensky und Zöllner, die noch kurz zuvor mit Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen für die «Organisation Todt» Bunker und Rüstungsbetriebe errichtet hatte. Mal wird er von der amerikanischen Militärpolizei im Würzburger Hauptbahnhof verhaftet, weil er gemeinsam mit zwei ukrainischen Kumpanen eine Pistole in einem Laib Brot zu schmuggeln versucht. Irgendwann schließlich kommt sein Leben in geordnetere Bahnen, am 1. September 1947 heiratet Demjanjuk aufdem Standesamt Regensburg Vera Kowalewa, auch sie eine Ukrainerin fern der Heimat, von den Deutschen als Zwangsarbeiterin nach Berlin verschleppt. Bald darauf wird ihre Tochter Lydia geboren. Und schließlich der große Aufbruch: die Überfahrt nach Amerika, ins Land der Freien. Ende Januar schifft sich die kleine Familie in Bremerhaven auf der «General Haan» ein, Anfang Februar erreichen sie die Ostküste. Demjanjuk findet rasch einen Job, zuerst als Landarbeiter auf einer Farm in Indiana, dann in einer Motorenfabrik des Autoherstellers Ford in Cleveland, Ohio. Bis zu seiner Pensionierung wird er dort als Mechaniker arbeiten.
    Am 14. November 1958 werden die
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