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Der Faktor X

Der Faktor X

Titel: Der Faktor X
Autoren: Andre Norton
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betrachtete das erleuchtete Gebäude. Musik, das Kommen und Gehen von Gestalten hinter allen Fenstern, kein Platz, um sich zu verstecken, außer vielleicht …
    Ein einziger dunkler Raum im untersten Stockwerk. Er sah zu den beiden Fenstern hinüber. Er konnte nicht sicher sein, aber sie waren dunkel und zogen ihn an wie ein hohler Baumstamm verletztes Wild.
    Die Woge seines Elends ebbte ein wenig ab, als er sich dem Problem widmete, jenes verlockende Versteck unbemerkt zu erreichen. Die Büsche gewährten ihm einige Deckung, und er konnte auch die erleuchtete Statue umgehen. Durch die Musik und die Stimmen vom Haus her hörte er plötzlich den Schrei eines durch die Nacht fliegenden Varch. Ein Varch! Mit ein bißchen Glück …
    »Diieskaan?« Rixa war jetzt auf dem Weg, nicht weit von der Bank entfernt.
    Er erreichte den nächsten Busch und duckte sich dahinter. Jetzt konzentrierte er sich voll und ganz auf den Varch, stellte sich seine breiten grünen Schwingen vor mit dem diamantartigen Saum darauf, der beim fliegen jenes filmartige Schimmern hervorrief, den schlanken Hals, den eleganten Kopf. Varch – Diskan dachte nur noch Varch, versuchte, wie ein Varch zu fühlen.
    Plötzlich erscholl der Ruf zu seiner Rechten, begann mit einem Triller und endete mit einem Schrei. Die grüne Gestalt tauchte schemenhaft aus der Finsternis auf und schwenkte in Richtung auf den Pfad ein. Diskan hörte einen zweiten überraschten Aufschrei – Rixa. Aber er war schon in Bewegung, huschte von einer Deckung zur anderen, bis er unter dem ersten der beiden dunklen Fenster stand und zum Sims hinauflangte. Jetzt nur keinen Fehler – keinen plumpen Fall. Bitte nicht brechen – er wollte doch nur hinein in die Dunkelheit und die Einsamkeit, die er jetzt brauchte!
    Und endlich einmal fand eines seiner unzähligen Gebete Gehör. Diskan schlüpfte durch das Fenster nach drinnen und landete auf dem Boden. Keuchend blieb er noch eine Weile hinter dem schützenden Vorhang sitzen. Sein schwerer Atem kam nicht von der körperlichen Anstrengung, sondern vielmehr von der außergewöhnlichen Mühe, die es ihn gekostet hatte, die Gewalt über seinen unbeholfenen Körper zu behalten. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er sich erholt hatte und den Vorhang teilte, um ins Zimmer zu spähen.
    Ein einziges schwaches Licht, das in dem Raum brannte, ließ ihn erkennen, daß er an einen Ort geflohen war, an dem sie ihn tatsächlich kaum suchen würden – es war Renfrys Zimmer. Wo er die Reisescheiben mit den Aufzeichnungen seiner Scoutschiffe aufbewahrte, die Trophäen von seinen Sternenwanderungen wohlgeordnet aufgestellt hatte. Es war ein Raum, den Diskan nie zuvor zu betreten gewagt hatte.
    Auf Händen und Knien kroch er hinter dem Vorhang hervor und blieb mitten im Zimmer hocken, weit genug entfernt von allen Dingen, die er streifen und umwerfen könnte. Die schweren Arme auf die Knie gelegt, saß er da und schaute sich um.
    Das ganze Leben eines Mannes war in diesem Zimmer aufbewahrt. Diskan griff sich wieder an den Kopf. Nicht um die seufzende Musik und das gedämpfte Murmeln der Stimmen von jenseits der Wände und Türen nicht mehr hören zu müssen, sondern um sich immer wieder mit schweren Bewegungen über die Stirn zu fahren, als wolle er einen dumpfen Schmerz lindern, den er in seinen wachen Stunden verspürte, seit er auf Vaanchard war. Er selbst kam sich nämlich durchaus nicht dumm vor, zumindest so lange nicht, wie er nicht versuchte, seine Gedanken in Worte oder Taten umzusetzen – es war einfach, als sei irgendwo in seinem Inneren eine schadhafte oder falsche Verbindung, die eine fehlerfreie Kommunikation mit seinem eigenen Körper, ganz zu schweigen von seiner Umwelt, unmöglich machte.
    Es gab durchaus ein paar Dinge, die er tun konnte! Zum ersten Mal seit Stunden entspannte sich Diskans verkniffener Mund und formte ein schattengleiches Lächeln. Ja, ein paar Dinge konnte er tun, dachte er, und er stellte sich dabei durchaus nicht tölpelhaft an. Dieser Varch vorhin – er hatte lediglich an den Varch gedacht, und dann daran, was er tun sollte – und er hatte es prompt ausgeführt. Flinker und geschickter, als seine eigenen Hände jemals den Befehlen seines Gehirns gehorchen würden.
    Das war früher schon gewesen, wenn er allein war. Er hatte es niemals gewagt, es vor anderen zu tun, denn man betrachtete ihn ohnedies schon als seltsam genug. Er konnte sich den Tieren mitteilen. Vielleicht bedeutete das, daß er ihnen viel näher
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