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Der Faktor X

Der Faktor X

Titel: Der Faktor X
Autoren: Andre Norton
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für Schnee hielt, auf den Felsen. Er hatte den Winter auf Nyborg kennengelernt – und damit auch Winde, die so kalt waren wie dieser, der hier seinen Körper umstrich. Aber auf Nyborg hatte er Kleidung, Nahrung und ein schützendes Dach gehabt …
    Diskan sammelte die zerrissenen Reste des Kokons auf und legte sie sich wie einen Schal über die Schultern. Eine etwas unbequeme Art, sich zu schützen, aber immerhin ein Schutz. Das Schiff! Es hatte eine Überlebensausrüstung an Bord –- Dinge, um Feuer damit zu machen, eiserne Rationen, Waffen! Diskan fuhr herum.
    Es bestand keinerlei Hoffnung, zu dem Schiff zurückzugelangen. Die Flut des schleimigen Morastes hatte sich inzwischen unaufhörlich in die Luke ergossen. Er wollte festes Land unter sich und um sich herum. Und der beste Ort, wo er danach suchen konnte, war wohl drüben bei den schneebedeckten Felsen.
    Es mußte Spätnachmittag gewesen sein, als das Schiff notgelandet war, denn obgleich die Sonne nicht geschienen hatte, hatte das graue Licht eines wolkenverhangenen Himmels noch ausgereicht, die Szene ein wenig zu erhellen. Bis Diskan jedoch sein Ziel erschöpft und über und über mit eisigem Schleim bedeckt erreicht hatte, war es schon dämmrig, und er wagte es nicht, noch weiter zu gehen, denn der kleinste Fehltritt konnte ihn ebenso im Morast versinken lassen wie das Raumschiff.
    Er kletterte über den zerklüfteten Rücken des Felsens, preßte sich schließlich in einen Spalt und zog den Kokonstoff um sich. Der erste Mond stand am Himmel, eine grünlichblaue Scheibe gegen den schwarzen Hintergrund des Alls, und seine Schwester schob sich gerade über den Horizont. Und doch – beide zusammen ergaben immer noch nicht genug Licht, um ein Weiterwandern in dem unbekannten Gelände zu ermöglichen.
    Drüben, auf der anderen Seite des Schlammtümpels, markierte ein rötliches Glimmen noch immer die Stelle, wo die Katastrophe stattgefunden hatte. Jetzt sehnte sich Diskan nach ein paar von diesen kostbaren Funken. Aber hier gab es keine Nahrung für sie, und er sah auch keine Möglichkeit, dort hinüberzugelangen. Er preßte sich so tief er konnte in die schützende Spalte und fühlte sich erbärmlich.
    Diskan hustete, schüttelte sich. Er hatte seine Freiheit – wahrscheinlich die Freiheit, auf diese oder jene Weise ums Leben zu kommen – heute zu erfrieren, morgen im Schlamm zu versinken oder in irgendeine der tausend Fallen zu geraten, die der unbekannte Planet für ihn bereithalten mochte. Aber er hatte bis jetzt überlebt. Und jeder Augenblick, den er weiterlebte, war ein kleiner Sieg über das Schicksal – oder was sonst es war, das ihn schon vor seiner Geburt zum Krüppel gemacht hatte. Er hatte seine Freiheit, ja – und sein Leben, und das waren die Dinge, an die er sich diese Nacht klammern mußte.

 
3
     
    Diskan fürchtete die tückische Kälte. Immer wieder kroch er aus der Spalte hervor, stampfte mit den Beinen auf und schlug die Arme um seine Brust. In dieser beißenden Kälte einzuschlafen, konnte möglicherweise für ihn bedeuten, daß er nicht mehr aufwachen würde. Im Licht der über den Himmel eilenden Monde sah er sich um.
    Die felsige Erhebung war Teil einer Art Miniatur-Gebirgskette. Der Rest war, soviel er feststellen konnte, Morast. Zweimal hörte er von dem Pfad her, den das Schiff gebrannt hatte, ein Heulen, einmal ein Knurren, ein Fauchen, einen Tumult, als kämpften zwei ziemlich gleichwertige Gegner miteinander. Wahrscheinlich hielt das verbrannte Land irgendwelche Nahrung bereit, die nun Aasfresser anlockte. Nahrung – Diskans Magen reagierte auf den Gedanken.
    Nahrung, Wasser, Obdach, Schutz gegen den Wind und die Kälte – und das alles mußte er finden, auf einer Welt, wo nur ein Mundvoll von einer fremden Pflanze, einem unbekannten Tier für einen Fremden den Tod bedeuten konnte. Die Rationen, die ihn hätten am Leben erhalten können – die immunisierenden Spritzen, die solche Katastrophen hätten verhindern können – sie waren verschwunden.
    Wieder dieses Heulen – diesmal näher. Diskan spähte hinaus über den Tümpel aus Morast, hinüber zu der Stelle, wo noch immer die Glut schimmerte. Schatten waren dort. Zu viele, und sie konnten alles mögliche bedeuten. Wie lange mochte eine Nacht auf dieser Welt dauern?
    Es begann zu schneien – erst waren es nur ein paar Flocken, die in seine kleine Felsspalte eindrangen und auf seiner Haut schmolzen, dann fielen sie dichter und immer dichter, bis Diskan nichts mehr
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