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Der erste Verdacht

Der erste Verdacht

Titel: Der erste Verdacht
Autoren: Helene Tursten
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über die Lippen zu bringen: »Ich habe sofort … angerufen.«
    »Der Notruf ging um 16.23 Uhr ein«, warf Magnus Larsson ein.
    »Und der erste Streifenwagen war eine knappe Viertelstunde später da?«, wollte Tommy wissen.
    »Korrekt«, bestätigte der Beamte.
    Tommy wandte sich wieder an Sanna Kaegler-Ceder und fragte mit leiser Stimme: »Haben Sie sich vor dem Eintreffen der Polizei Ihren Mann näher angesehen?«
    Langsam schüttelte sie den Kopf.
    »Ich sah, dass er tot war. Das ganze Blut …«
    »Wo standen Sie, als Sie ihn entdeckt haben?«
    »Im Durchgang …«
    Ihre Stimme versagte, und sie schluckte.
    »Blieben Sie im Durchgang zum Glasanbau stehen?«
    »Ja«, flüsterte sie.
    Obwohl es kaum möglich schien, wurde sie noch bleicher. Ihre Lippen waren jetzt blaugrau. Irene war klar, dass sie ohnmächtig werden würde. »Kommen Sie. Legen Sie sich auf den Teppich«, sagte sie deshalb.
    Beherzt half sie Sanna, sich auf den hochflorigen Teppich zu legen. Vorsichtig hob Irene ihre Unterschenkel an und hielt sie einige Handbreit in die Luft. Langsam bekam Sannas Gesicht wieder mehr Farbe. Nach einer Weile meinte sie: »Ich will mich setzen.«
    Irene half ihr wieder in den Sessel. Die junge Frau war so bleich, dass ihr Gesicht fast denselben Farbton hatte wie der eierschalenfarbene Bezug. Zweifellos hatte sie wirklich einen Schock erlitten. Vielleicht waren das aber auch die Spätfolgen einer Bluttat.
    »Wann haben Sie heute das Haus verlassen?«, fragte Tommy.
    »Nicht heute. Das war gestern Nachmittag.«
    »Um welche Zeit?«
    »Gegen vier. Wir waren bei meiner Schwester. Über Nacht.«
    »Hatten Sie den Jungen dabei?«
    »Ja.«
    »Sie haben also bei Ihrer Schwester übernachtet?«
     »Ja.«
    »Warum?«
    Sanna wandte den Kopf zur Seite und sah ihn zum ersten Mal an. Sie wirkte erstaunt.
    »Warum?«, wiederholte sie.
    »Ja. Warum haben Sie bei Ihrer Schwester übernachtet?«
    »Ihr Mann hatte Dienst. Wir wären beide über Nacht allein gewesen.«
    »Wissen Sie, wen Ihr Mann am Abend und in der Nacht treffen wollte?«
    »Keine Ahnung.«
    Ihre Stimme klang desinteressiert und müde.
    »Wann haben Sie zuletzt mit Ihrem Mann gesprochen?«, warf Irene ein.
    »Gestern, gegen neun Uhr in der Früh.«
    »Erzählte er von einer Verabredung am Abend?«
    »Ich kann mich nicht erinnern.«
    »Haben Sie Ihre Schwester anschließend angerufen und ihr vorgeschlagen, bei ihr zu übernachten, oder hatten Sie das bereits vorher verabredet?«
    »Ich habe Sie gegen Mittag angerufen. Wir hatten schon früher darüber gesprochen … Wir wollten es uns mit einer Flasche Wein gemütlich machen und uns etwas Gutes kochen. Sie ist ebenfalls im Erziehungsurlaub.«
    »Haben Sie Ihren Mann angerufen und ihm erzählt, dass Sie bei Ihrer Schwester übernachten würden?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Das hatte ich ihm bereits erzählt, als wir am Morgen miteinander telefoniert hatten.«
    »Was haben Sie ihm da gesagt?«
    »Dass ich bei ihr anrufen und etwas verabreden würde.«
    »Sie haben heute nicht versucht, ihn telefonisch zu erreichen?«
    »Nein. Er wusste, dass Ludwig und ich bei Tove übernachten und deswegen nicht zu Hause sein würden.«
    »Tove, das ist Ihre Schwester?«
    »Ja. Tove Fenton. Ihr Mann ist Arzt. Er hatte Dienst …«
    Ihre Stimme wurde zu einem Flüstern, und sie beendete den Satz nicht. Ehe einer der Polizisten eine weitere Frage stellen konnte, betrat die junge Beamtin das Zimmer. Bislang war sie an der Haustür postiert gewesen. Irene erinnerte sich vage, dass sie Stina hieß. Den Nachnamen hatte sie bereits vergessen.
    »Die Mutter ist da. Also ihre Mutter.«
    Stina deutete verstohlen auf Sanna Kaegler-Ceder. Aus dem Bereich der Haustür war eine aufgebrachte Frauenstimme zu vernehmen: »… ich will wissen, was … schließlich meine Tochter! Und Ludwig …«
    Am breiten Durchbruch zum Wohnzimmer kam es zu einem Tumult. Sanna Kaegler-Ceders Mutter versuchte einzutreten, wurde aber von den beiden Polizisten, deren Namen Irene nicht wusste, daran gehindert. Die Mutter war nicht so groß wie die Tochter, aber ebenso hellhäutig. Steif erhob sich Sanna vom Stuhl und ging auf unsicheren Beinen ihrer Mutter entgegen.
    »Sanna, Kleines! Was ist passiert? Die Polizei hat bei mir angerufen …«
    Die Mutter hielt inne, als sie den Gesichtsausdruck ihrer Tochter sah. Sie versuchte nicht mehr, sich an den Polizisten vorbeizudrängen.
    »Ist es … Ludwig?«, flüsterte sie verzweifelt.
    »Wieso hast du diese alte,
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