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Der erste Tag

Der erste Tag

Titel: Der erste Tag
Autoren: Eden Bell
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und vornehm. „Aber hat es nicht einmal eine Zeit gegeben, wo du dir genau das gewünscht hast? Du hast dich hundert Mal in den Schlaf geweint, weil du dich nach einem männlichen Gefährten gesehnt hast.“
      „Die Geschichte meines Lebens. Ich frage mich nur, was dieses Theater soll, das du hier vera nstaltest?“
      „Hören wir auf damit. Wir sind beide nicht besonders gut darin, Rollen zu spielen. Ich bin hier, weil ich dir etwas schenken möchte.“
      „Wenn es nicht deine Männlichkeit, dein Schwanz ist, was willst du mir dann geben?“, entgegnete ich schnippisch.
      „Lass es, Jakob. Du bist weitaus klüger als dein Mundwerk. Setz dich und hör mir zu. Ich erwa rte nicht, dass du mir glaubst. Ich gebe dir einen Tag Bedenkzeit. Dann musst du dich entscheiden.“ Adrian nahm meine Hand und führte sie zwischen seine Oberschenkel. Ich fühlte seinen Penis, der absolut schlaff war.
      „Diese Berührung ist wie das taube Flüstern eines Windes. Ich spüre nichts, wenn du meinen Penis anfasst. Ich bin tot. Ich bin vor fast hundert Jahren gestorben. Erwarte dir also keine sex uelle Befriedigung. Ich biete dir dafür etwas viel Höheres, Gewaltigeres an. Ewiges Leben und eine Vereinigung, die weitaus schöner als Sex ist. Ich brauche einen Gefährten und ich habe dich ausgewählt. Du hast die Wahl. Ich werde dich nicht zwingen, aber ich möchte, dass du meine Geschichte kennst. Ich war der Gehilfe des Metzgers hier in Schönberg. Ich habe meine Arbeit nicht sonderlich gemocht. Es war 1903, als einige Kinder und Jugendliche an einer schweren Krankheit starben. Damals wurde mir meine eigene Vergänglichkeit zum ersten Mal so richtig bewusst. Ich war mit einem Knecht zusammen, der auf einem großen Bauernhof arbeitete. Eines Nachts betrog er mich, indem er mit dem Bauern ins Bett ging. Am nächsten Tag zerstörte ein Feuer, durch Blitzschlag ausgelöst, Haus und Hof. Er und sein Herr kamen beim Versuch, das Vieh aus dem Stall zu retten ums Leben. Ich war 24, als ich gebissen wurde. Ich war dankbar für diese Erlösung, weil Heinrichs Tod meine Welt untergehen ließ. Anton, ein mächtiger Vampir, verlieh mir die dunkle Gabe.“
      Adrian ließ die letzten Worte nachwirken. Wenn er sich einen Kommentar von mir erwartete, so musste ich ihn enttäuschen. Ich konnte kaum einen klaren Gedanken fassen, geschweige denn etwas sagen.
      „Die Weltkriege kamen und gingen“, fuhr der Dämon in Menschengestalt fort. „Hass und Waffen konnten mir nichts anhaben. Ob ich nun im tiefsten Winter einen Schützengraben bewohnte oder im heftigsten Unwetter das Blut eines Kameraden leckte, die Witterungen und Jahreszeiten konnten meinen Körper nicht mehr schwächen. Einzig die Sonne blieb mein Feind. Ich bin tot und doch lebendiger als die meisten Menschen. Doch dieses Dasein hat auch seine Schattenseiten. Es gibt nur sehr wenige von meinem Schlag. Und Einsamkeit und Trauer können sich auch in meine Träume stehlen. Als du geweint hast, habe ich auch geweint. Und als du mich gerufen hast, hab ich dich erhört.“
      „Du bist ein Vampir. Oh mein Gott“, flüsterte ich.
      „Und Gott ist auch in meiner Welt ein Thema. Selbst wenn du mich als grausamen Mörder bezeichnest, so ist mir bewusst, dass ich eines Tages Rechenschaft vor unserem Schöpfer ablegen muss.“
      „Wovon ernährst du dich?“
      „Das weißt du, mein Junge.“
      Ich schluckte hart. „Bist du aus der Hölle?“
      Adrian lachte verbittert. „Es gibt Tage, da wünsche ich mir nichts sehnlicher als ein Ende. Ob es nun das Fegefeuer oder endlose Stille ist, es ist mir gleich. Aber weißt du, warum ich noch da bin?“
      Mit leerem Blick schüttelte ich den Kopf.
      „Es sind die Menschen. Ich werde wohl nie müde werden, sie zu beobachten, von ihnen zu lernen.“
      „Und sie zu töten“, fügte ich traurig hinzu.
      „So ist es, Jakob, aber ist es nicht so, dass der Vampir eine höhere Macht als jeder Mensch besitzt? Es ist der Kreislauf des Lebens, wir haben es alle in der Schule gelernt. Der Löwe tötet die Antilope und der Löwe wird vom Menschen gejagt. Der Stärkere gewinnt. Es ist das alte Spiel. Du bist nicht dumm, hör dir also meinen Vorschlag an.“ Adrian sah wunderschön aus im fahlen Kerzenlicht. Alles was heller war, tat ihm vermutlich weh.
      „Du kannst nur im Dunkeln leben, ist das richtig?“ Ich konnte mir die Frage nicht verkneifen.
      „Ja, aber je länger du ein Geschöpf der Nacht bist, desto strahlender
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