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Der erste Tag

Der erste Tag

Titel: Der erste Tag
Autoren: Eden Bell
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sondern weil ich mein Glück in vielen anderen Dingen fand. Ich habe lange gebraucht, um ein vollkommenes Gefühl zu erreichen, um mich ganz zu akzeptieren. Ich kann es nur schwer beschreiben, aber als ich gesehen habe, dass ich mit all meinen Gedanken, Worten und Werken große Spuren hinterlassen habe, ob in meinem Heimathaus, auf dem Weg oder in den Herzen anderer, erfüllte mich das mit Zufriedenheit und Stolz. All das was ich war würde nie ganz vergehen. Alles, was ich gelernt hatte, dauerte an, war beständig und allgegenwärtig. Jedes Gespräch zwischen mir und meinem Großvater war in dem Wald zuhause, der sich in der Nähe unseres Hauses befand. Die glücklichen, verspielten Stunden meiner Kindheit waren so deutlich zu sehen wie Figuren auf der Kinoleinwand. Mein Bestreben, spannende Bücher zu lesen, war zu einer Obsession geworden. Die Zeit, in der ich mich alleine fühlte, war endgültig vorbei.
      Umso erstaunter war ich, als ich mich an diesem Abend beobachtet fühlte. Mir kamen einige Horrorfilme in den Sinn, aber dieses Gefühl war extrem real. Ich war nackt und bekam eine E rregung, als ich aufstand und zu dem Fenster auf der Südseite meines Zimmers ging. Mein Puls raste, als ich eine dunkle Gestalt erblickte. Ein seltsames Kribbeln ergriff Besitz von mir. Es hätte ein Einbrecher sein können, ein verrückter Spanner, ein Mörder. Aber ich dachte nicht daran, irgendetwas zu tun. Ich wollte weder eine Waffe holen, noch meine Eltern aufwecken noch die Polizei anrufen. Und ja, es ging eine unglaubliche Bedrohung von ihm aus. Dass ich ihn als männliches Wesen identifizierte, war beinahe ein Triumph für mich. Im schwachen Mondlicht erkannte ich nur die dunklen kurzen Haare, die noch dunkleren Augen und ein scheinbar makelloses Gesicht. Alles andere war von einem schwarzen Umhang verdeckt. Ich sah weder Hände noch Taille des Mannes. Er schien mit der Nacht verschmolzen zu sein.
      „Guten Abend, Jakob.“
      Oh mein Gott, er beherrschte unsere Sprache!
      „Guten Abend, Fremder.“ Ich versuchte gefasst zu bleiben. Schöne Männer kamen schließlich nicht oft an mein Fenster, um meine Keuschheit in Gefahr zu bringen. Sein Blick, der auf me inem Geschlechtsteil ruhte, legte diese Vermutung sehr nahe.
      „Hab keine Angst.“ Seine Stimme klang wie ein leise knurrender Motor, der geölt werden mus ste.
      „Das hat der Erzengel Gabriel auch zur Jungfrau Maria gesagt. Und wir alle wissen ja, wie die Geschichte ausgegangen ist. Komm schon, ist das ein Scherz oder was?“
  Seine Mundwinkel bewegten sich nicht. Er blieb ernst. „Mein Name ist Adrian. Ich bin hier, weil du um meine Anwesenheit gebeten hast.“
      Ich schüttelte meinen Kopf, als würde ich ein lästiges Insekt vertreiben wollen. „Das könnte interessant werden. Aber wenn ich dich jetzt gerne in meinem Bett hätte, wird der Traum schnell enden und du wirst das Weite suchen. Stimmt’s?“
      Adrian schaute mir tief in die Augen. „Wenn du mich hineinbittest, werde ich mit dir eine Nacht verbringen, die du nie wieder vergessen wirst.“
      Ich war verwirrt. Einerseits klang das alles sehr ernst. Zwar vollkommen idiotisch, aber glau bhaft. Doch ich tat es als Scherz ab. „Okay, dann lass uns eines klarstellen. Wir haben kein Geld im Haus. Wenn du uns wegen zwanzig Euro ausrauben willst, dann mach es gleich und lass mich weiterschlafen.“
      „Wieso weiterschlafen? Du hast doch noch kein Auge zugetan.“
      Ich bekam eine Gänsehaut. „Woher weißt du das?“
      „Weil ich dein Schutzengel bin und dich schon seit langer Zeit beobachte. Ich weiß, wer du bist, wen du liebst, wie es in deiner Seele ausschaut.“ Adrian machte mir Angst.
      Ich wollte diese Angst überspielen. „Der Spruch gefällt mir. Komm rein. Ich sperre die Haustüre auf.“
      So leise es ging öffnete ich ihm und bat ihn herein. Meine Eltern sollten auf keinen Fall etwas davon mitbekommen. Das war mir sehr wichtig.
      „Gut, dann lass mich jetzt etwas klarstellen. Ich kann dir vieles geben, kleine und große Wunder, aber ich werde dich niemals so befriedigen können wie du es dir vielleicht von einem Mann wünschst.“
      „Woher willst du wissen, dass ich mir so was wünsche? Ach ja, du beobachtest mich. Dann müsstest du aber wissen, dass sexuelle Aktivitäten tabu für mich sind. Ich liege nicht gerade voll im Trend, weißt du?“
      Adrian legte seinen Mantel ab. Er besaß eine große, muskulöse Statur. Etwas an ihm war majestätisch
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