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Der erpresste Erpresser

Der erpresste Erpresser

Titel: Der erpresste Erpresser
Autoren: Stefan Wolf
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beugte Wilhelm sich vor. Ein
rascher Griff — und er hielt die Blüte zwischen den Fingern.
    „Was soll denn das sein? Ein
Zwanziger?“
    „Das sind 100 Mark. Sehen Sie’s nicht?“
    „Ich sehe gar nichts, ich bin fast
blind. So — 100 Mark? Fühlt sich aber an wie ein Fünfziger. Wollen Sie mich
betrügen?“
    „Herrgott! Das ist ein Hunderter.“
Behnke biß sich auf die Lippen. Ruhe bewahren, Pauli! dachte er. Der alte
Döskopp soll wechseln.
    „Und dann... dann bin ich betrogen,
wie?“ meinte Wilhelm. Doch ihm fiel was ein. „Moment! Ich zeig ihn der Irmi
Ehrmann. Wenn die sagt, es ist ein Hunderter, dann ist es ein Hunderter. Dauert
nur ‘ne Sekunde.“
    Eilig stakte er los, links den
Krückstock, rechts den vermeintlichen Geldschein.
    Verblüfft sah Behnke, wie der Alte in
dem Laden verschwand. Die Tür fiel zu, und die Rückwand des Schaufensters
versperrte die Sicht.
    „Mann, Paul!“ zischte Sigi. „Was hat
der alte Depp vor?“
    „Hast es doch gehört.“
    „Und wenn die Frau was merkt?“
    „Dann sind wir wieder furchtbar empört.
Das muß ich üben. Abverlangt wird mir das sicherlich noch oft. Die Blüten sind
Schund. Aber ich habe sie nun mal.“
    Inzwischen hatte Wilhelm seine dritten
Zähne grinsend entblößt.
    Der Laden war leer — bis auf Irmi
Ehrmann.
    Sie war drei Jahre jünger als Wilhelm
und gewissermaßen befreundet mit ihm.
    „Irmi!“ Wilhelm schwenkte die Blüte.
„Schnell her mit dem gefälschten Hunderter, den man dir neulich angedreht hat.
Du hast ihn doch noch? Los, los! Behalt diesen Schein statt dessen. Keine
Hemmungen, Irmi! Ich nehm’s auf mein Gewissen.“

    Die zerbrechliche alte Dame zuckte
zurück.
    „Aber Wilhelm! Das ist doch verboten.“
    „Papperlapapp! Her damit!“
    Seit sie sich kannten, hatte er das
Sagen. Irmi wußte: Widerspruch war sinnlos bei einem Querkopf wie ihm.

5. Markus bei den Pennern?
     
    Dr. Annerose Milzwinkel hatte ihre
Praxis in einem neuen Gebäude über einem Supermarkt.
    Karl, Klößchen und Oskar bewachten die Tretmühlen.
Tim, von Gaby begleitet, machte sich auf den Weg. Ausführlich hatten die vier
inzwischen über Markus geredet, hatten Vermutungen angestellt, das Schlimmste
befürchtet und weniger Fürchterliches erwogen. Natürlich blieb alles graue
Theorie, solange nicht Tatsachen ausgegraben wurden — als Eckpfeiler für einen
reinrassigen Verdacht.
    Ein langer Flur im ersten Stock. Büros.
Flinter der Eingangstür der Praxis war die Luft kühl und roch säuerlich.
    Ein dickes Mädchen mit Brille
verwaltete die Anmeldung und fragte gleich nach dem Krankenschein.
    Sie kämen privat, erwiderte Tim, hätten
nur was auszurichten der Frau Doktor, persönlich. Ob sich das machen ließe
zwischen zwei Patienten.
    Die Dicke schickte das Pärchen ins
Wartezimmer, wo nur ein einziger Mann saß. Eingegipst den linken Arm, mürrisch.
Er blätterte in einer Lesezirkel-Illustrierten, war aber offensichtlich
Linkshänder, denn rechts klappte das Umblättern nicht.
    Gaby setzte sich und pustete gegen
ihren Pony. Er war etwas zu lang, reichte aber nicht bis zu den nachtdunklen
Wimpern. Stundenlang hätte Tim seine Freundin anhimmeln können. Dieser
Gegensatz der Farben! Kornblumenblau die Augen, das seidige Schwarz von Brauen
und Wimpern und der Goldton ihrer Haare. Wunderbar!
    Sie spürte seinen Blick, hob den Kopf
und lächelte.
    „Woran denkst du?“
    „An den falschen Hunderter“, erwiderte
er.
    Gaby nickte und griff nach einer
Zeitschrift.
    Die Arzthelferin holte Herrn
Weberschnitt mit dem linken Gipsarm in den Ordinationsraum und plärrte seinen
Namen so laut, als sei der Warteraum überfüllt.
    Stille.
    „Hier steht“, sagte Gaby, „die
süditalienische Kidnapper-Industrie könnte sich einbürgern auch bei uns. Weil
die Mafia und die anderen Verbrecherbanden ihren Markt ausdehnen wollen. Aber
das Bundeskriminalamt gedenkt, dem einen Riegel vorzuschieben.“
    „Dann ist ja alles in Butter.“
    „Wäre doch schrecklich, wenn auch bei
uns die Kinder reicher Leute entführt werden — um Lösegeld zu erpressen. Manche
Opfer in Italien werden erst nach ein oder zwei Jahren freigelassen.“
    „Für uns beide und Karl sehe ich da
keine Gefahr. Aber Willi käme als Geisel in Frage.“
    Sie hörten Stimmen auf dem Flur. Herr
Weberschnitt war ärztlich versorgt worden und verabschiedete sich.
    Dr. Annerose Milzwinkel persönlich
holte das Pärchen zu sich.
    Tim dachte sofort: Mit der kann man
reden. Aber ich muß so fragen, daß die
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