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Der erpresste Erpresser

Der erpresste Erpresser

Titel: Der erpresste Erpresser
Autoren: Stefan Wolf
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Herrrrrrr Brochmann! Wir möchten mit Markus reden. Eher
gehen wir nicht weg.“
    Brochmann starrte in die jungen
Gesichter. Der Blick irrte zu Oskar ab, richtete sich wieder auf Tim. Eine müde
Zungenspitze erschien links im Mundwinkel, dann rechts.
    „Ihr... habt die Ärztin gefragt?
Verdammt nochmal! Weshalb?“
    „Weil wir nicht glauben, daß Markus
krank ist. Was ist mit ihm?“
    „Er...“ Brochmann schloß die Zähne, als
beiße er Hartwurst ab vom Stück. „Das geht euch nichts an.“
    „Sehen Sie diese meine Freundin? Das
ist Gaby Glockner, Tochter von Kommissar Glockner bei der hiesigen Kripo. Wenn
Sie uns nicht sofort aufklären, weshalb sie dieses geheimnisvolle Getue
veranstalten, informieren wir Herrn Glockner.“
    „Du bist wohl...“ Wieder sprach er
nicht zu Ende. Das Wutrot seiner Haut, eben aufgeflammt, verblaßte. „Ihr
benehmt euch unverschämt. Ihr mischt euch ein in eine Privatangelegenheit.
Ihr... Zum Teufel mit euch!“
    „Später“, sagte Tim. „Wir haben das
Leben noch vor uns. Wo ist Markus?“
    „Ich weiß es nicht.“
    „Wie bitte?“
    „Ich weiß es nicht. Er hat nicht
gesagt, wo er sich aufhält.“
    „Könnten Sie das erklären?“
    Brochmann stöhnte auf, verlagerte das
Gewicht auf einen Fuß und lehnte sich an den Türrahmen.
    „Ich glaube, er ist nach der Schule gar
nicht nach Hause gekommen. denn...“

    „Doch!“ fiel Tim ihm ins Wort. „Ganz
sicher sogar. Er war nämlich per Rad in der Schule. Und jetzt steht sein
Drahtesel in der Garage.“
    „Tatsächlich? Ist mir nicht
aufgefallen.“ Brochmann nickte bedeutungsschwer. „Ich war auch zu aufgeregt.
Auch jetzt noch. Jedenfalls — Markus rief mich an im Büro. Er sagte, er habe...
naja, wir harmonieren nicht miteinander. Es gibt Probleme hin und wieder,
Ärger, Streit; und ich bin ja nicht sein wirklicher Vater. Markus sagte also,
er werde nicht länger unter meinem Dach wohnen, sondern abhauen — so drückte er
sich aus — auf Trebe gehen, vagabundieren. Er will raus aus allem — vor allem
weg von mir.“
    „Das hat er Ihnen am Telefon gesagt?“
fragte Tim verblüfft. „Genau das. Aber er hat eine Einschränkung gemacht. Ich
hätte beinahe gelacht, wäre das Ganze nicht so traurig. Markus war sich nämlich
nicht schlüssig, ob seine Entscheidung auch morgen noch gilt.“
    „Wie meinen Sie das?“
    „Ich habe ihn natürlich bedrängt,
diesen Unsinn zu lassen. Aber der Vorschlag kam von Markus. Wir haben also ein
Abkommen getroffen. Bis Sonntagabend hat er sich Bedenkzeit ausgebeten. Solange
soll ich ihn nicht als vermißt melden, soll ich die Polizei nicht einschalten.
Sonntagabend wird er mir seinen endgültigen Entschluß mitteilen. Entweder
Markus kommt zurück, oder er setzt sich ab in die ,europäische Penner-Szene’,
wie er das nannte. Diese seltsame Art der Freiheit bedeute ihm viel.“
    „Und Sonntagabend ruft er wieder an?“
    „Er hat’s versprochen. Sonntagabend, 21
Uhr, soll ich mich in der Nähe des Telefons aufhalten. Das werde ich tun.“
Unwillkürlich bearbeitete Tim seine Unterlippe mit den Zähnen. Aber er merkte
das und hörte sofort auf.
    Auch seine Freunde waren verblüfft. Und
nachdenklich. Karl polierte die Brille am Jackenärmel: ein Zeichen von
Aufregung.
    Kommt nicht alle Tage vor, dachte Tim,
daß sich ein gutbürgerlicher Gymnasiast — immerhin mit durchschnittlichen Noten
in der Mittelstufe — zu den Wohnsitzlosen absetzen will, zu den
Wolkenschiebern, die auf Parkbänken Platte machen, was nächtigen heißt,
billigen Wein trinken und das bis zur Bewußtlosigkeit. Markus, spinnst du? Was
ist in dich gefahren? Und wir, zum Scharfrichter!, haben ihm nicht angemerkt,
daß es so schlimm stand um seine Seelenqual, um seinen geistigen Koller.
Schlimm, schlimm!
    „Noch Fragen?“ Brochmann blickte wieder
so finster wie am Anfang.
    „Sie haben eingewilligt?“ fragte Gaby.
    „Was sollte ich denn tun? Ihn
anpfeifen? Ihn vollends verprellen? Daß er nicht mal mehr anruft.“
    „Und Sie halten sich daran: keine
Vermißtenanzeige bis Sonntagabend?“
    „Ich halte mich daran. Und ich möchte
auch euch bitten, nichts verlauten zu lassen.“
    Tim hob die Achseln. „Versprechen
können wir das nicht. Immerhin haben wir jetzt Durchblick. Wiedersehen!“

6. Rache für Beleidigung
     
    Hinter ihnen fiel die Haustür ins
Schloß.
    Sie schoben ab zur Einfahrt, wo draußen
am Gartenzaun die Tretmühlen lehnten.
    Als ein Wagen langsamer fuhr und dann
einbog auf den Vorhof, begann
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