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Der entgrenzte Mensch

Titel: Der entgrenzte Mensch
Autoren: Rainer Funk
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Musik und seiner Performance
in symbolisierter Weise verkündet. Und mindestens ebenso wichtig ist die Tatsache, dass er mit dieser »message« die Wünsche, Sehnsüchte und Vorstellungen einer Generation in einer mitreißenden künstlerischen Sprache zu artikulieren verstand.
    Wie aber lautet diese »message«? Was verkörpert Michael Jackson musikalisch? Was symbolisiert seine Art zu leben? Welches innere Streben der Vielen personifiziert er? Welcher Sehnsucht verhilft er zum Auftritt und zum musikalischen und tänzerischen Miterleben und Ausleben?
    Eine der vielen möglichen Antworten auf diese Fragen entpuppt sich bei einer psychologischen Betrachtungsweise als gemeinsamer Nenner für die von ihm ausgelebten und zu künstlerischem Ausdruck gebrachten Wünsche, Sehnsüchte und Vorstellungen: das Streben nach Entgrenzung . Ein solches Streben folgt aus der Erfahrung, dass so gut wie alles entgrenzt und damit neu inszeniert, erfunden, aufgestellt, konstruiert werden kann. Nichts soll mehr Bestand haben und in seiner Begrenztheit und Vorgegebenheit hingenommen werden müssen. Ein Streben nach absoluter Freiheit scheint möglich. Aus dem Wunsch nach Entgrenzung wird, je mehr er sich realisieren lässt, mit der Zeit ein Verlangen und schließlich ein unverzichtbares leidenschaftliches Streben, jedes und alles entgrenzen zu wollen, ja entgrenzen zu müssen.
    Das Streben nach Entgrenzung ist Michael Jacksons Botschaft, mit der er identifiziert ist. Weil aber dieses Streben im Künstler und seiner Kunst einen ungebremsten Ausdruck und eine mitreißende Inszenierung fand, konnte es auch in einem solchen Ausmaß zu einer meist idealisierenden Identifikation der Vielen mit ihm und seiner Musik kommen.
    Der 1958 im Bundesstaat Indiana geborene Michael war das achte von zehn Kindern eines Kranführers und einer Verkäuferin. Mit Nachdruck förderte der Vater die musikalische Begabung seiner Kinder und sorgte für die Gründung der »Jackson Five«, einer Band, die aus fünf Brüdern der Familie bestand. In ihr war
1966 der achtjährige Michael der Leadsänger. Die Band wurde weltweit bekannt, doch schon mit 13 Jahren begann Michael parallel dazu eine Solokarriere als Rhythm and Blues Interpret. Obwohl in den Top-Ten der US-Charts bereits an Spitzenpositionen, gelang ihm der Durchbruch zum Welt- und Medienstar erst mit 24 Jahren, als er sich der Pop-Musik zuwandte und 1982 das Album »Thriller« veröffentlichte. Mit dieser Platte kürte er sich zum »King of Pop«. Der Verkauf des Albums überstieg alles bisher Dagewesene: Es wurde mit 109 Millionen Tonträgern das meistverkaufte Album der Welt. Einem Empfang bei Präsident Ronald Reagan im Jahr 1984 folgte 1990 ein weiterer Empfang im Weißen Haus, bei dem ihn Präsident George Bush als »Entertainer des Jahrzehnts« auszeichnete.
    Der »King of Pop« sprengte alles bisher Bekannte und lebte vor, dass auch das Unmögliche möglich ist. Mit bestimmten Erkennungsmerkmalen machte er sich für seine Fans unverwechselbar und einzigartig. So trat er mit schwarzem Hut und glitzernder Fantasie-Kostümierung auf, trug wechselnd, aber immer nur an einer Hand, einen weißen, glitzernden Handschuh, dazu die obligaten weißen Socken. Gerne trat er auch mit Mundschutz in der Öffentlichkeit auf. Der Sinn solcher Identifikations- und Wiedererkennungsmerkmale lässt sich nur paradox fassen: Ganz gezielt sollen sie gerade nichts über den Künstler aussagen. Sie dienen dazu, den Künstler unverwechselbar zu machen, ohne dass sie eine tiefere Bedeutung haben.
    Ein millionenfach nachgeahmtes Erkennungsmerkmal war der »Moonwalk«, ein nicht von Jackson erfundener, aber von ihm weltweit bekannt gemachter Tanzschritt, bei dem durch pantomimisch ausgeführte Körper-, Bein- und Fußbewegungen beim Zuschauer der Eindruck entsteht, dass er vorwärts geht, während er sich in Wirklichkeit rückwärts bewegt. Diente dieser Effekt wie viele andere Details seiner Auftritte einer entgrenzenden Illusionierung, so erlaubte er sich mit seinem »Griff zwischen die Beine« etwas, was sich in dieser Ungeniertheit höchstens Kinder erlauben: Er griff sich selbst in den Schritt und zog seine Hose
ruckartig nach oben - eine zweifellos sexuell-anzügliche und übergriffige Tanzgeste.
    Den Wunsch, alles Vorgegebene hinter sich zu lassen und sich neu zu erfinden, realisierte Jackson vor allem im Umgang mit seinem Körper und mit seiner geschlechtlichen Identität. Auf manchen Fotos des ca. Dreißigjährigen weiß
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