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Der entgrenzte Mensch

Titel: Der entgrenzte Mensch
Autoren: Rainer Funk
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den Bereich der Kunst dominieren, dann lässt sich großer künstlerischer Erfolg insbesondere damit erklären, dass der Künstler die bewussten und vor allem die (noch) nicht bewussten
oder gänzlich unbewussten Strebungen, Sehnsüchte und Vorstellungen der Vielen in seiner Performance und mit seiner künstlerischen Kreativität zu erfassen und auszudrücken imstande ist. Er bringt sie in symbolisierter Weise - bei Jackson vor allem über die Musik, den tanzenden Körper und die (Selbst-)Inszenierung - zum Ausdruck und tritt so in eine innere Beziehung zu seinem zuhörenden und zuschauenden Publikum. In dem Maße aber, in dem es dem Künstler gelingt, den inneren Wünschen und Strebungen des Publikums einen Auftritt und Ausdruck zu ermöglichen, kann dieses sich seiner Musik und Bewegung nicht mehr entziehen, und es kommt zu einem gemeinsamen Auftritt.
    Diese besondere Art von Interaktion bewirkt eine gegenseitige Begeisterung oder »Inspiration« (um jenes Modewort zu gebrauchen, das heute in aller Munde ist): die Fans sind vom Künstler und der Künstler von den Fans begeistert, zumindest während des Auftritts. Oft hält die gegenseitige Begeisterung auch darüber hinaus noch an, bedarf dann aber meist der Vergegenwärtigung des Künstlers durch seine künstlerischen Produkte, also CDs und DVDs oder besonderer Fanartikel. Und auch der Künstler bedarf der Vergegenwärtigung des Publikums durch Fanpost, steigende Nachfrage und höhere Verkaufszahlen.
    Dass Michael Jackson eine ungeheuer inspirierende Kreativität hatte und zu nutzen verstand, kann kaum angezweifelt werden. Sie wurde ihm selbst von jenen bestätigt, die sich auf dem gleichen Markt bewegen. Britney Spears bekannte angesichts der Todesnachricht: »Mein ganzes Leben lang war er eine Inspiration für mich« ( www.USmagazine.com ) und wurde von Justin Timberlake auf dessen Internetseite noch mit den Worten getoppt: »Wir haben ein Genie und einen wahren Botschafter nicht nur für Popmusik, sondern für jede Art von Musik verloren. Er war eine Inspiration für mehrere Generationen.« Die gleichaltrige Kollegin Madonna bekennt, Michael Jackson »immer bewundert« zu haben und dass »die Welt einen der Größten verloren« habe. Die US-Sängerin Mariah Carey ließ über ihre Agentur in London mitteilen: »Kein Künstler wird jemals seinen Platz einnehmen.«

    Kein Wunder also, dass die Nachricht von seinem Tod zu einer nicht zu überbietenden »breaking news« wurde. Ihretwegen wurden selbst in Südkorea und Australien Fernsehprogramme unterbrochen. Arnold Schwarzenegger, Gouverneur von Kalifornien, brachte seine Bestürzung über den Tod des größten Popstars aller Zeiten zum Ausdruck. Selbst Präsident Obama ließ es sich nicht nehmen, Jackson öffentlich zu würdigen. Zu Spitzenzeiten beschäftigten sich nach einer Mitteilung des Center for Internet and Society an der Harvard University 15 Prozent aller Twitter-Beiträge mit dem Thema »Michael Jackson«, während die Wahrnehmung der Proteste im Iran kurz zuvor die Fünf-Prozentmarke nie überstiegen.
    Blickt man auf die letzten 15 Jahre des künstlerischen Wirkens dieses Superstars, so lässt sich die überwältigende Reaktion der Öffentlichkeit auf seinen Tod nur schwer mit seiner musikalischen Entwicklung und Produktivität in diesen Jahren erklären. Alle Beobachter der Szene erklären, Mitte der neunziger Jahre sei »seine beste Zeit« bereits vorüber gewesen. Es kommt hinzu, dass Jackson in den letzten Jahren mehr durch skurrile Aktionen, Anklagen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern, scheiternde Beziehungen und finanzielle Probleme auf sich aufmerksam machte als durch tänzerische und musikalische Neuproduktionen. Ob das lang geplante und durch seinen Tod vereitelte Comeback hätte gelingen können, darf bezweifelt werden.
    Durch Skandalnachrichten allein kann allerdings kein Star eine anhaltende Wirkung seiner Kunst erzielen und seine Fangemeinde dauerhaft »unterhalten«. Worin also gründet das Phänomen Michael Jackson und die exorbitante Reaktion auf seinen Tod? Wichtig ist sicher, dass er außergewöhnlich begabt war und mit seiner Musik und seinem tänzerischen Können etwas Geniales und Neues geschaffen hat. Dieses wird auch nach 20 Jahren noch wert geschätzt, und zwar nicht nur bei Nostalgikern (wie dies bei den »Beatles« der Fall zu sein scheint). Ein noch wichtigerer Grund für das Phänomen »Jackson« aber ist die Botschaft, die er mit seinem Leben, seiner Person, seiner
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