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Der Engel mit den Eisaugen

Der Engel mit den Eisaugen

Titel: Der Engel mit den Eisaugen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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eigentlich Außergewöhnliche war, dass die Nachricht ihr nicht wie sonst durch die Seele des vor einigen Jahren verstorbenen Pater Gabriele gesandt worden war, und auch nicht durch die Madonna von Fátima, mit der die Frau inzwischen bestens vertraut war. Nein, sie kam direkt von IHM .
    Gabriella Carlizzi, eine Römerin aus gutbürgerlichem Haus, noch nicht ganz sechzig, hatte die himmlische Botschaft vor ein paar Tagen im Morgengrauen erhalten, und da es ihr dank ihrer ungewöhnlichen, übernatürlichen Fähigkeiten gelungen war, etwa siebzig Anhänger um sich zu scharen, machte sie sich umgehend daran, die Neuigkeiten in ihrem Blog lagiustainformazione.it zu veröffentlichen, über den sie seit einigen Jahren mit ihrer Fangemeinde kommunizierte.
    In den frühen Morgenstunden des 1 . November, an Allerheiligen, schrieb sie in einer etwas verqueren Syntax: »Dies ist die Botschaft von heute Morgen, drei Uhr, vom Himmel gesandt und von mir ins Schriftliche übertragen: … Meine Kinder, in den letzten Tagen ist der Kampf gegen das Böse härter geworden denn je, und Satan dürstet nach Blut. Er will das Blut der Justiz trinken, und deshalb bitte ich euch, die Wächter des einen, der seine Robe noch nicht besudelt hat, das überaus lobenswerte Werk, das ihr vollbringt, so schnell fortzuführen wie nur irgend möglich, damit Mein (!) Giuliano mit eurer Hilfe vor das Schwurgericht treten kann, welches auch auf Erden dazu auserkoren ist, über die Lebenden und die Toten zu urteilen, ausgestattet mit Beweisen, welche all jene der Justiz ausliefern sollen, die mit nur einem Ziel weiter töten – um die Wissenden, die bereit sind, sich voller Gelassenheit in den Zeugenstand zu begeben, zum Schweigen zu bringen. Auch über Mein mutiges Geschöpf, das euch diese Nachricht als Meine Vermittlerin überbringt, wurde ein sehr kurzfristiges Todesurteil verhängt, wobei sie versuchen werden, diesen Tod als Verkehrsunfall erscheinen zu lassen. Aus diesem Grund, liebe Kinder, müsst ihr euer Bestes geben und dabei immer daran denken, dass das Böse keine Ferien macht, schon gar nicht an Feiertagen wie heute, an denen ein Lob auf Gott und all jene angestimmt wird, die bereits auf Erden die Herrlichkeit des Himmels erlangt haben. Mein Giuliano kann nur auf euch zählen … Seid also wachsam, dies sind die Tage, lasst euch nicht ablenken, seid auf der Hut, damit diese Robe, die dem Staat zu so viel Ehre gereicht, nicht mit dem Blut eines weiteren Märtyrers gewaschen wird.
    Ich segne euch.«
    Unterschrieben war die Botschaft von niemand anderem als dem »Gerechten Gott« persönlich.
    Die Anhänger der Frau wie auch jeder andere in Italien, der sich für die neuesten, bizarren Entwicklungen im Fall des sogenannten Monsters von Florenz interessierte – dem berühmtesten Justizfall Italiens, der es seit nunmehr drei Jahrzehnten regelmäßig in die Schlagzeilen schaffte –, sie alle also konnten keinen Zweifel hegen: Die Robe, die Gefahr lief, in Kürze mit Blut gewaschen zu werden, gehörte Giuliano Mignini, dem bekanntesten Staatsanwalt Perugias, dem Justizbeamten, der zirka sieben Jahre zuvor unter großem Aufsehen die Ermittlungen zum Monster von Florenz wieder aufgenommen hatte – wobei er sich schon damals auf die Enthüllungen ebenjener Frau aus dem Mercedes stützte. Und das Ziel des als Verkehrsunfall getarnten Attentats waren demnach der Staatsanwalt und die Frau selbst. Sie betrachtete sich als Hauptzeugin, wenn es darum ging, die überaus wichtigen Erkenntnisse des Chefanklägers aus Perugia vor das Schwurgericht zu bringen und die geheimnisvollen, übermächtigen Mörder zu verurteilen, die Hintermänner des Monsters von Florenz.
    Nun hatte sich Gabriella Carlizzi also entschlossen, Mignini persönlich von der schrecklichen Prophezeiung zu unterrichten. Doch zwischen dem Erhalt der Botschaft und ihrem Aufbruch nach Perugia war das Verbrechen bereits geschehen. Allerdings nicht das, bei dem der Justizbeamte und sie ums Leben kommen sollten, sondern ein anderes.
    Tags zuvor, am Morgen des 2 . November 2007 , den die katholische Kirche dem Totenkult widmet und an dem die Italiener mit Chrysanthemen in den Händen und Gebete murmelnd auf die Friedhöfe strömen, um ihrer verstorbenen Lieben zu gedenken, wurde der feine, kalte Nebel, der Perugia umhüllte, von beharrlichen Stimmen durchdrungen. Es gab Leute, die sagten, ein grauenvoller Mord – etwas völlig Außergewöhnliches in dieser ruhigen Stadt – sei in
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