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Der Eisplanet

Der Eisplanet

Titel: Der Eisplanet
Autoren: Edmund Cooper
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fünfzehn für den interplanetarischen Verkehr geeignete Raumschiffe.
    Allein die in internationalem Rahmen geführte Auseinandersetzung um die Prioritäten zog sich vier lange Jahre hin. Sollte man der Mona Lisa und hundert anderen der herrlichsten Gemälde der Welt den Vorzug geben gegenüber Samen- und Ovarialbanken? Sollten Mikrofilmaufzeichnungen der irdischen Geschichte, der wissenschaftlichen Erkenntnisse und des kulturellen Reichtums vieler Nationen Vorrang haben vor speziell gezüchteten Pflanzenkeimen? Kam Menschen Priorität zu oder Komputern, Baumaschinen, Sprengstoff, Medikamenten, Elektronenmikroskopen und Skalpellen? Wie sollte das zahlenmäßige Verhältnis zwischen Männern und Frauen sein? Wie hoch konnte man das Höchstalter dieser Überlebenskandidaten festsetzen? Unterdessen flackerten unter dem Eindruck des bevorstehenden Weltuntergangs alte Feindschaften erneut auf. Die Panarabische Föderation drohte mit der nuklearen Vernichtung eines jeden Raumhafens, der es israelischen Staatsbürgern erlaube, zum Mars zu starten. Die chinesische UNO-Delegation forderte eine proportionale Zusammensetzung der Emigrantengruppen nach der Rassenzugehörigkeit – eine natürliche Forderung, da China ein Viertel der Menschheit stellte, aber bei Berücksichtigung anderer Kriterien unmöglich erfüllbar. Die Afrikanische Union behauptete, die Kandidatenauswahl werde auf der Grundlage der Rassendiskriminierung getroffen und drohte damit, jedes Raumschiff vom Himmel zu holen, seien fünf zehn Prozent von Mannschaft und Passagieren nicht Schwarze. Der Papst verlangte die Entsendung von zweihundert auserwählten Priestern. Immerhin arbeiteten Amerikaner und Russen zielstrebig zusammen, eine lebenswichtige Tatsache, denn sie beherrschten den Großteil der interplanetaren Flotte.
    Dennoch, trotz aller Reibereien, startete Raumschiff um Raumschiff, beladen mit den kostbarsten Gütern einer sterbenden Welt. Sechs Orbitalstationen baute man in improvisierte interplanetarische Vehikel um und schickte sie in eine Marskreisbahn.
    Aber als der unaufhörliche Regen länger aus dunkelgrauem Himmel auf die Erde prasselte, die Ernten verdarb und die Hoffnung ertränkte, begann die menschliche Ordnung sich aufzulösen. Die Vereinigten Staaten von Europa zerfielen zuerst. Die meisten ihrer übervölkerten Länder hatten traditionell darauf vertraut, weiterhin fünfzig Prozent ihres Nahrungsmittelbedarfs durch Importe decken zu können. Doch später im XXI. Jahrhundert wurden ein Hähnchen und ein Pfund Brot teurer gehandelt als ein Luftkissenauto von Rolls-Royce oder ein Flugbus von Mercedes. So hungerte sich Europa, heimgesucht von Unruhen, zu Tode. Nach Europa zerbrachen die USA, dann die UdSSR, Südamerika und China. Indien, dessen Bevölkerung seit jeher mit Leid und Hunger vertraut war, hielt sich etwas länger.
    Seltsamerweise war Australien das letzte Land, das in den Zustand der Anarchie geriet. Durch eine Laune des Schicksals wurde ihm das meiste des noch einfallenden Sonnenlichts zuteil. Für eine kurze Zeitspanne wurden seine Wüsten fruchtbar, und indem man die Gelegenheit nutzte, gelang eine erhebliche Verbesserung der Ernteerträge, so daß man beinahe zwei Drittel der Einwohner versorgen konnte. Dann schloß sich der Himmel, und der Regen, der eine kurze Periode der Fruchtbarkeit beschert hatte, begann das Land zu verschlammen.
    Als die Dag Hammarskjöld zum Mars startete, hatte Australien gerade das Ende seines Weges erreicht.
     
    Das Essen wurde von bedrückter Stimmung überschattet, obwohl die Mannschaft sich bemühte, Kapitän Hamilton aufzumuntern. Suzy Wu, genetisch Eurasierin, aber geboren auf dem Mars, hatte ihre Uniform – wider alle Vorschriften – gegen ein enges Kleid ausgetauscht, das die Formen ihres jungen Körpers wundervoll betonte. Sie schenkte ihre ganze Aufmerksamkeit Idris, doch weder Orlando noch Leo Davison schienen sich zu ärgern.
    Idris musterte die drei und fühlte sich furchtbar alt. Er war noch keine vierzig und kam sich vor wie eine Versteinerung. Alle drei waren Marsgeborene. Für sie konnte es nicht die gleiche Bedeutung haben wie für ihn, daß die Erde tot war.
    Sie waren reichlich erschöpft, auch Idris. Alle Sektoren der Dag Hammarskjöld, zu denen Bodenpersonal gewöhnlich Zutritt erhielt, hatten sie durchsucht. Sie hatten nichts gefunden, doch Idris Hamilton war nicht zufrieden. Vielleicht begünstigte nur die Müdigkeit seine böse Ahnung. Vielleicht war er nur depressiv.
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