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Der eiserne Tiger

Der eiserne Tiger

Titel: Der eiserne Tiger
Autoren: Jack Higgins
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wand
sich zwischen den zahllosen Sandbänken hindurch.
      »Ist das immer noch der Ganges?« fragte Janet.
      »Ja, der Ganges - das Licht in
der Dunkelheit und der Freund der Hilflosen. Er hat tausend
Namen«, erklärte Hamid, während sie auf die niedrige
Mauer zuschlenderten. »Wenn man im Ganges badet, wird man von
allen Sünden reingewaschen. Zumindest besagt das der Glaube der
Hindus.«
      Janet beugte sich über die Mauer
und sah in das schmutzigbraune, schlammige Wasser. »Ich finde,
das Wasser sieht ziemlich ungesund aus.«
      Drummond steckte sich eine Zigarette
an und lehnte sich neben ihr über die Mauer.
»Merkwürdigerweise sieht es aber ganz danach aus, als habe
das Wasser eine heilende, stärkende Wirkung. Ihren religiösen
Riten zufolge trinken die Pilger das Wasser sogar, oft sogar an
Stellen, wo die ganzen Abwässer der Stadt in den Fluß
geleitet werden - aber sie scheinen davon nicht krank zu werden. In
Flaschen abgefüllt, hält sich das Wasser ein Jahr lang. Es
heißt sogar, daß es sich an Bord von Segelschiffen, die
früher von Kalkutta aus in See stachen, länger hielt als
irgendein anderes Wasser.«
      Unten am Flußufer spielte sich
irgendeine Zeremonie ab. Sie sah zu Hamid auf. »Können wir
da runtergehen?«
      »Aber natürlich. Alles, was Sie wollen.«
      »Ich werde mich nicht
anschließen«, erklärte Drummond. »Wenn ich vor
dem Abflug Ferguson noch aufsuchen will, mache ich mich besser auf die
Socken.« Er blickte auf seine Uhr. »Es ist jetzt kurz vor
zwei. Wir treffen uns um vier Uhr im Hotel.«
      Rasch ging er über den Platz
davon. Janet sah ihm mit gerunzelter Stirn nach. »Wenn ich mich
nicht irre, hat Mr. Ferguson gesagt, er sei Teehändler.«
      »Ja, das stimmt«,
bestätigte Hamid. »Jack hat einen Luftfrachtvertrag mit ihm
abgeschlossen. Für gewöhnlich sucht Ferguson ihn einmal im
Monat auf. Er hat ein Stück stromabwärts ein Hausboot.«
      »Sagten Sie nicht, Mr. Drummond sei einmal Fregattenkapitän gewesen?«
      »Marineluftwaffe. «
      »Er war also Berufsoffizier?
Während des Krieges muß er doch noch viel zu jung gewesen
sein, um zum Kommandeur ernannt zu werden.«
      »Ganz richtig.« Zwar
lächelte der Pathane immer noch, doch seine Stimme klang jetzt
scharf, und seine Augen glitzerten gefährlich. Sie zog es vor,
nicht weiter in ihn zu dringen. »Wollen wir hinuntergehen?«
      Sie standen am Rande einer kleinen
Ansammlung von Menschen und sahen sich die Zeremonie an. Mehrere Leute
standen knietief im Wasser, die Männer mit entblößtem
Oberkörper und mit Schlamm beschmiert.
      Einer streute Asche aus einem
Stoffbeutel in ein ziemlich großes Papierschiff. Ein anderer
zündete das Schiff an und stieß den schwankenden Nachen vom
Ufer ab. Bald wurde es von der Strömung mitgerissen.
Plötzlich ging das ganze Schiff in Flammen auf und versank im
Wasser.
      »Was hat das zu bedeuten?« erkundigte sich Janet.
      »Das war die Asche eines
Säuglings«, erklärte Hamid. »Und zwar eines
kleinen Jungen; denn die Zeremonie ist sehr kostspielig und würde
sich bei einem Mädchen nicht lohnen.«
      »Wird das immer so gemacht?«
      Hamid nickte. »Jeder Hindu
träumt davon, daß seine Asche einst in den Ganges gestreut
wird. Ganz in der Nähe ist ein Shamsan, eine Stelle, wo Tote verbrannt werden. Möchten Sie das gern sehen?«
      »Glauben Sie, daß ich das verkraften werde?«
      Er lächelte von seiner Höhe
auf sie herab. »Nach zwei Jahren in Vietnam müßten Sie
eigentlich alles verkraften können.«
      Sie schüttelte den Kopf.
»Da bin ich mir gar nicht so sicher. In Indien ist alles ganz
anders. Dieses Land läßt sich mit keinem anderen
vergleichen. Das hat mir Ferguson schon prophezeit, und er hat
völlig recht.«
      Als sie am Ufer entlanggingen, stieg
ihr der Geruch von verkohltem Holz in die Nase. In der Ferne erblickten
sie einen Ochsenkarren, neben dem drei oder vier Leute standen.
      Als sie näher kamen, sog Janet
entsetzt die Luft ein und drängte sich näher an Hamid. Auf
einem Dornen-bett lag ein nackter Mann mit geschlossenen Augen und
hervorquellender Zunge, die von einem eisernen Spieß durchbohrt
war. Haar und Bart waren schmutzig und verfilzt, sein ganzer
Körper war mit Kuhmist und Asche beschmiert und bestreut.
      »Das ist ein Saddhu, ein
heiliger Mann«, erklärte Ha-mid und warf eine Münze in
den Tonkrug neben dem Kopf des Toten. »Er bettelt bei den
Trauergästen und betet für die
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