Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat
Autoren: China Miéville
Vom Netzwerk:
rote Tätowierung.
    Sie hielten Ausschau nach Himmelspiraten. Fejh unternahm kurze Abstecher zu den Wasserläufen am Weg.
    »Zu langsam.« Cutter sprach mit sich selbst, aber die anderen hörten ihn. »Zu langsam, zu langsam, götterverdammtes Schneckentempo.«
    »Zeigt euer Schießzeug«, warnte plötzlich einer der beiden auf dem Bock. »Wir werden beobachtet.« Er zeigte auf die flachen Erhebungen, die Baumgruppen auf Felshöckern. »Wenn sie kommen, schießt. Nicht warten. Sie ziehen uns die Haut ab, wenn ihr sie leben lasst.«
    Sogar Drey wurde munter. Er hielt einen Trommelrevolver in der gesunden Hand.
    Cutter wandte sich an Pomeroy. »Dein Gewehr hat die größte Reichweite. Du feuerst als Erster.«
    In seine Worte hinein fingen die beiden Dörfler an zu brüllen. »Schießt! Schießt doch! Da!«
    Cutter schwenkte die Pistole blindlings in die gezeigte Richtung. Pomeroy brachte die Muskete in Anschlag. Ein Armbrustbolzen schwirrte über ihre Köpfe hinweg. Hinter einem moosbewachsenen Basaltklotz wuchs eine Gestalt in die Höhe – Elsie schoss und traf.
    Es war ein fReemade – ein straffällig gewordener Remade, in den städtischen Korrekturfabriken umgestaltet, dann geflohen, in die Steppe und die Rohagi-Berge.
    »Arschlöcher!«, brüllte er. »Gottschiet, ihr Arschlöcher!« Man konnte sehen, was an ihm verändert worden war – er hatte zu viele Augen. Er sank in den Staub, färbte ihn blutig. »Ihr Schweine!«
    Eine neue Stimme ergriff das Wort. »Noch ein Schuss, und ihr seid tot.« Sie waren umzingelt, ringsum drohten gespannte Bögen und ein paar alte Flinten. »Wer seid ihr? Ihr kommt nicht von hier!« Der Sprecher trat an den Rand einer Felsplattform. »Kommt schon, ihr zwei. Ihr kennt die Regeln. Der Wegzoll. Ich berechne euch eine Fuhre – was ist das für Zeug? Eine Fuhre kümmerliches Grünfutter.«
    Die fReemade waren ein abgerissener Haufen und alle auf verschiedene Weise entstellt. Ihre Remakings aus Dampf speiendem Eisen und gestohlenen tierischen Körperteilen pulsierten wie geheimnisvolle Tumoren. Männer und Frauen mit Hauern oder stählernen Gliedmaßen, mit Schwänzen, mit Guttaperchaeingeweiden in blutlosen, klaffenden Leibeshöhlen.
    Der Anführer näherte sich bedächtig. Zuerst glaubte Cutter, er säße auf einer augenlosen Mutantenkreatur, dann erkannte er, dass man den Torso des Mannes auf einen Pferdekörper transplantiert hatte, anstelle von Hals und Kopf des Tieres. Als zusätzliche Grausamkeit, typisch für die Perfidie der staatlichen Biothaumaturgen, hatte man den menschlichen Oberkörper verkehrt herum aufgesetzt, sodass er zur Kruppe des Pferdes schaute. Die Pferdebeine schritten tastend rückwärts, der hin- und herschlagende Schweif verriet angespannte Konzentration.
    »Das ist mal was Neues«, sagte er. »Ihr seid bewaffnet – das hatten wir noch nicht. Ich habe Söldner gesehen. Ihr seid keine Söldner.«
    »Ihr seht gleich überhaupt nichts mehr, wenn ihr nicht verduftet«, ließ Pomeroy ihn wissen. Er hielt erstaunlich ruhig seine große Muskete im Anschlag. »Ihr könnt uns umlegen, aber wie viele von euch nehmen wir mit?« Alle Gefährten, sogar Drey, hatten einen fReemade im Visier.
    »Wer seid ihr?«, fragte der Anführer wieder. »Was seid ihr für Zeitgenossen? Was wollt ihr?«
    Pomeroy machte den Mund auf, um ihm eine Antwort zu geben, irgendeine großmäulige Herausforderung. Aber plötzlich geschah etwas mit Cutter. Er hörte ein Flüstern. Gänsehaut erregend intim, wie raunende Lippen dicht an seinem Ohr, unnatürlich und drängend, von einem kalten Hauch getragen. Die Stimme befahl: »Sag die Wahrheit.«
    Die Worte entströmten Cutters Mund als lauter, nicht von ihm bestimmter Singsang. »Ihona ist Weberin. Drey ist Maschinist. Elsie ist arbeitslos. Pomeroy, unser Großer da, ist Schreiber, Fejh Dockarbeiter. Ich bin Kaufmann. Wir gehören zum Gremium. Wir sind auf der Suche nach einem Freund. Und wir sind auf der Suche nach dem Eisernen Rat.«
    Seine Gefährten musterten ihn fassungslos. »Was zum Henker, Mann?«, stieß Fejh hervor und Ihona: »Was, um Jabbers willen …?«
    Cutter löste die verkrampften Kiefermuskeln und schüttelte den Kopf. »Das wollte ich nicht«, versuchte er zu erklären. »Ich habe etwas gehört …«
    »Gut, gut«, meinte der Räuberhauptmann. »Ihr habt noch einen weiten Weg vor euch. Vorausgesetzt, ihr schafft es, an uns vorbeizukommen …« Er brach ab. Ein paar Mal klappte sein Mund auf und zu, dann verkündete er in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher