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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat
Autoren: China Miéville
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Fortschreiten des Vormittags wurde es unter dem Laubdach heiß und stickig. Cutter hingen die nass geschwitzten Kleider schwer am Leib. Er beobachtete Fejh und Drey.
    Fejh bewegte sich mit froschähnlichen Hüpfern fort. Er bewies eine stoische Ausdauer. Drey hielt Schritt, so unglaublich es schien angesichts seines Zustands. Blut tränkte sein Lederwams, und er tat nichts, um die Fliegen zu verscheuchen, die kamen, um von seinen Säften zu naschen. Dunkelrot getrocknete Blutstreifen auf leichenblasser Haut ergaben eine Maserung wie bei einem alten Stück Fleisch. Cutter wartete darauf, dass er Schmerz oder Angst erkennen ließ, aber Drey redete nur leise mit sich selbst, und Cutter fühlte Bewunderung in sich aufkeimen.
    Die erhabene Natürlichkeit des Waldes wirkte einschüchternd. »Wohin gehen wir?«, wandte sich jemand an Cutter. Frag mich nicht.
    Gegen Abend folgten sie einem lieblichen Geräusch und fanden ein Bächlein, von Efeu überhangen. Sie jubelten und tranken daraus wie glückliche Tiere.
    Fejh setzte sich hinein, und das Wasser schlug in Wellen gegen seinen Körper. Wenn er schwamm, wirkten seine ungelenken Bewegungen plötzlich graziös. Er schöpfte Hände voll Wasser und modellierte es mit der Thaumaturgie der Vodyanoi: Wie Teig behielt das Wasser die Form, die er ihm gab, schlichte Figürchen, hundeähnlich. Fejh stellte sie ins Gras, wo sie im Lauf einer Stunde schmolzen wie Wachs und in der Erde versickerten.
    Am nächsten Morgen hatte Dreys Wunde sich entzündet. Sie warteten, wenn das Fieber ihn zum Ausruhen zwang, aber viel Zeit konnten sie ihm nicht gönnen. Sie mussten weiter. Der Baumbestand wandelte sich zu Mischwald. Sie suchten ein Durchkommen zwischen Schwarzholz und Eiche, unter Banyanbäumen mit langen Mähnen aus strickähnlichen Luftwurzeln.
    Der Rudewood war voller Leben. Vögel und affengestaltige Geschöpfe in den Wipfeln erfüllten den Vormittag mit Geschrei. In einem Stück mit fahlen toten Bäumen kam eine Kreatur auf sie zu. Sie hatte die ungefähre Gestalt eines Bären, jedoch wirkten die Umrisse seltsam verschwommen und fließend, scheinbar eingesponnen in einen wabernden, schillernden Kokon. Schaukelnd brach sie aus dem Unterholz.
    Alle schrien, bis auf Pomeroy, der zielte und schoss. Es gab ein Geräusch wie von einem Schlag gegen ein Daunenkissen, und die Kreatur zerplusterte zu einem Schwarm aus Vögeln und Aasfliegen, der über ihren Köpfen wogte und sich hinter ihnen wieder zur Tiergestalt verdichtete. Als das Geschöpf schwerfällig weitertappte, sahen sie die Federn und Flügeldecken, aus denen sich der Pelz zusammensetzte.
    »Ich bin schon einmal in diesen Wäldern gewesen«, erklärte Pomeroy. »Ich erkenne einen Gewimmelbär, wenn ich ihn sehe.«
    »Wir müssten jetzt weit genug gekommen sein«, meinte Cutter, und sie schwenkten nach Westen ein, während die Dämmerung über sie hinwegwanderte. Sie gingen hinter einer abgeschirmten Laterne. Die Borkenschrunden schluckten das Licht.
    Mitternacht war vorüber, als sie durch einen Saum aus niedrigem Gebüsch aus dem Wald heraustraten.
     

     
    Die nächsten drei Tage kraxelten sie durch die Ausläufer der Mendican Hills, zwischen Felstürmen und Drumlins mit schütterem Baumbestand. Sie folgten den Läufen längst vergangener Gletscher. Die Stadt lag erst etliche zehn Meilen hinter ihnen, sie waren kaum den Tentakeln ihrer Kanäle entronnen. Hin und wieder gewährten Einbuchtungen im Gelände Ausblick auf richtige Berge, weit im Westen und Norden, von denen diese Höhen nur ein Vorgeschmack waren.
    Sie tranken aus kleinen Bergseen und badeten darin. Drey wurde zum Hemmschuh für ihr Vorwärtskommen. Sie mussten ihn stützen. Er konnte den Arm nicht mehr bewegen und sah aus, als hätte er keinen Tropfen Blut mehr in den Adern. Dennoch äußerte er kein Wort der Klage. Cutter, der ihn anders kannte, hätte ihm diese Tapferkeit nicht zugetraut.
    Auf kaum sichtbaren Trampelpfaden wanderten sie über Gras und Blumen nach Süden. Pomeroy und Elsie schossen Wildkaninchen und brieten sie mit einer Kräuterfüllung.
    »Wie sollen wir ihn finden?«, fragte Fejh. »Ein ganzer Kontinent, und er kann überall sein. Wo fangen wir an?«
    »Ich kenne den Weg, den er nehmen will.«
    »Aber Cutter, ein ganzer Kontinent!«
    »Er wird Spuren hinterlassen. Wo immer er hingeht. Er hinterlässt eine Fährte. Das ist unvermeidlich.«
    Eine Zeit lang sagte keiner etwas.
    »Warum ist er gerade jetzt aufgebrochen?«
    »Er bekam eine
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