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Der Eiserne Rat

Der Eiserne Rat

Titel: Der Eiserne Rat
Autoren: China Miéville
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brechen, wie unter einem rhythmisch aufprallenden großen, schweren Ball, und ein Vodyanoi erschien aus dem Unterholz. Er verharrte einen Augenblick in der froschähnlichen Haltung seiner Rasse am Rand der Senke und hob die mit Schwimmhäuten versehenen Hände. Dann sprang er herunter – Kopf und Rumpf ein einziger formloser, plumper, wabbelnder Sack. Fejhechrillen war schmutzig und erschöpft. Seine Art der Fortbewegung eignete sich schlecht für bewaldetes Gelände.
    Alle waren nervös. Sie wussten nicht, wie lange sie warten sollten, ob es sich lohnte, ob noch welche unterwegs waren. Cutter versuchte herauszufinden, auf welchen Wegen seine Botschaft sie erreicht hatte. Seine hartnäckigen Fragen verursachten ihnen Unbehagen. Sie wollten über ihren Entschluss, sich ihm anzuschließen, nicht nachdenken; sie wussten, nicht wenige würden ihnen Verrat vorwerfen.
    »Er wird dankbar sein«, sagte Cutter. »Er ist ein komischer Kauz und zeigt es vielleicht nicht, aber das hier wird ihm viel bedeuten, ihm und mir.«
    Schweigen, dann meinte Elsie: »Das kannst du nicht wissen. Er hat uns nicht gerufen, Cutter. Er selbst hat nur irgendeine Botschaft bekommen, hast du uns erzählt. Vielleicht gefällt es ihm gar nicht, dass du uns mitbringst.«
    Cutter konnte ihr nicht guten Gewissens versichern, dass sie sich irrte. Stattdessen sagte er: »Trotzdem solltet ihr keinen Rückzieher machen. Wie ich die Sache sehe, sind wir ebenso für uns selbst hier wie seinetwegen.«
    Er beschrieb ihnen, was sie erwartete, wobei er die Gefahren in düsteren Farben malte. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass er sie abschrecken wollte, obwohl sie wussten, das lag nicht in seiner Absicht. Drey argumentierte mit einer hibbeligen, atemlosen Stimme. Er versicherte Cutter, sie wüssten Bescheid. Cutter merkte, dass er sich selbst zu überzeugen versuchte, und schwieg. Drey wiederholte mehrmals, sein Entschluss stünde fest.
    »Wir sollten los«, meinte Elsie kurz nach Mittag. »Wir können nicht ewig warten. Falls noch welche zu uns stoßen wollten, haben sie sich offensichtlich verlaufen. Sie müssen dann wohl oder übel zum Gremium zurückkehren und in der Stadt ihre Arbeit tun.«
    Jemand stieß einen gedämpften Schrei aus, und alle drehten sich um.
    Ein Hotchireiter auf seinem Gallus schaute vom Rand der Mulde zu ihnen hinunter. Der große Kampfhahn plusterte das Brustgefieder und hielt einen gespornten Krallenfuß halb erhoben. Der Hotchi, vierschrötiger, zäher Igelkrieger, kraulte den roten Kamm seines Reittiers.
    »Kommt Miliz.« Er sprach mit breitem, rollendem Akzent. »Zwei Mann Miliz kommen, eine Minute, zwei.« Er verlagerte sein Gewicht in dem reich verzierten Sattel und ließ den Vogel kehrtmachen. Nahezu geräuschlos, kein klingelndes Metall an dem Zaumzeug ganz aus Holz und Leder, stelzte er davon, hochbeinig und streitbar. Hinter ihm schlug das Buschwerk zusammen.
    »War das …?«
    »Was …?«
    »Verdammt, hast du …?«
    Das Geräusch sich nähernder Personen verschloss ihnen den Mund. Zu spät, um Deckung zu suchen.
    Zwei Männer kamen in Sicht, Masken und Uniformen im Dunkelgrau der Miliz. Sie suchten sich einen Weg über und zwischen bemoosten Baumstümpfen. Jeder trug einen verspiegelten Schild und an der Hüfte eine ungeschlachte Pfefferbüchse, einen Revolver mit einem ganzen Bündel Läufe. Als sie auf die Lichtung traten, stutzten sie und blieben stehen. Ihr Blick huschte über die Männer und Frauen, die ihnen entgegenschauten.
    Es folgte eine lange Sekunde, in der niemand sich bewegte, in der verstört und stumm Rat gehalten wurde – seid ihr, sind sie, was, sollten wir, sollen wir …? –, bis einer den Finger am Abzug krümmte. Darauf brach ein ohrenbetäubendes Spektakel los, Schreie, Krachen von Schüssen. Leute fielen um. Cutter konnte nicht erkennen, wo Freund war und wo Feind. Seine Eingeweide verkrampften sich vor Angst, er könnte getroffen sein und es nur noch nicht gemerkt haben.
    Jemand stöhnte gottverdammt, o gottverdammich. Es war einer der Milizzer, der aus einer Bauchwunde blutend neben seinem toten Kameraden saß und sich bemühte, die schwere Pistole im Anschlag zu halten. Cutter hörte ein scharfes Wispern die Luft zerreißen. Der Milizzer sank zurück, von einem Pfeil durchbohrt, und war still.
    Wieder ein Augenblick Schweigen, dann: »Jabber …«
    »Bist du, sind alle …?«
    »Drey? Pomeroy?«
    Erst glaubte Cutter, auf seiner Seite wären alle ungeschoren davongekommen. Dann sah er, dass
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