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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05
Autoren: Stephen R. Donaldson
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strotzten wie junges Grün. Sie alle staken in der schlichten Kleidung, wie sie ihrer Tätigkeit entsprach – dicken, ledernen Hosen und Joppen aus ineinandergekoppelten steinernen Scheiben –, ansonsten jedoch waren sie in gar keiner Hinsicht langweilig. In Redeweise, Übermut und kernigem Humor legten sie die außerordentlichste, bunteste Vielfalt an den Tag. Mit einem wahren Strudel von Wimmeln und Treiben brachten sie wieder Leben nach Herzeleid.
    Ihr dringender Wunsch, die Stadt, die Handwerkskunst ihrer seit langem toten Brüder und Schwestern in Augenschein zu nehmen, war für Linden deutlich spürbar. Und Covenants Augen glänzten, wie um sie zu ermutigen – leuchteten in der Erinnerung an das Caamora , mit dem er Coercri vom alten Leid erlöst und sich den Titel verdient hatte, den ihm die Erste daraufhin verlieh: Riesenfreund. Doch inmitten des Tumults, den lauten, einzigartigen Scherzen und Lachorkanen, auf die Pechnase sich jederzeit fröhlich einließ, der Fragen, die die Haruchai mit typischer Knappheit beantworteten, der Begrüßungen, die Linden verwirrten und angesichts welcher Covenant den Rücken straffte, als wolle er größer sein, suchte die Erste sofort ernst das Gespräch mit Grimme Blankehans und unterrichtete ihn von ihrer Entscheidung, Covenants Suche nach dem Einholzbaum zu unterstützen. Sie äußerte sich über die gebotene Eile, die zunehmende Bösartigkeit des Sonnenübels und die Schwierigkeit, den Einholzbaum zu finden und rechtzeitig genug einen neuen Stab des Gesetzes anzufertigen, um zu verhindern, daß das Sonnenübel der Erde zuletzt das Herz herausriß. Die Exaltation des Kapitäns wich rasch einer nüchterneren Stimmung. Als die Erste sich nach den Vorräten des Schiffs erkundigte, gab er ihr die Auskunft, der Ankermeister, sein Stellvertreter, habe die Vorräte der Dromond ergänzt, während man vorm Küstenlandstrich des Großen Sumpfes gewartet hatte. Dann begann er die Besatzung zurück zum Schiff zu rufen.
    Mehrere Riesen ließen gutmütigen Einspruch verlauten; sie wollten die Geschichte Herzeleids erfahren. Doch Covenant nickte vor sich hin, als dächte er daran, wie die Sonnengefolgschaft das Sonnenfeuer und das Sonnenübel mit Blut nährten. Folglich kannte Grimme kein Zögern. »Geduld, ihr Faulpelze«, rief er. »Seid ihr Riesen oder nicht, daß ein wenig Geduld euch abgeht?! Geschichten müssen ihre Stunde haben, sollen sie das harte Tagewerk auf See lindern. Die Erste drängt uns zur Eile.«
    Sein Befehl an die Mannschaft, wieder an Bord zu gehen, erzeugte in Linden Bedauern. Die Überschwenglichkeit dieser Riesen war das Fröhlichste, was sie seit langem zu sehen bekommen hatte. Und sie dachte, womöglich könne Covenant an einer Gelegenheit interessiert sein, für eine Weile auszukosten, was hier von ihm erreicht worden war; aber mittlerweile kannte sie ihn gut genug, um zu wissen, daß er erst mühsam überzeugt werden mußte, ehe er sich mit irgendeiner Ehre schmücken ließ. Sie trat näher zu ihm, hob ihre Stimme, um sich ihm durch das Lärmen verständlich zu machen. »Berek hat den Einholzbaum auch gefunden, und ohne die Hilfe von Riesen. Wie weit kann der Baum entfernt sein?« Er sah sie nicht an. Sein Blick galt unverändert der Dromond. Hinter seinem Bart gab er sich einer Stimmung hin, die halb aus froher Erregung, halb aus banger Erwartung bestand. »Sunder und Hollian werden tun, was sie können«, fügte Linden hinzu. »Und die übrigen Haruchai , die du befreit hast, werden auch nicht tatenlos herumsitzen. Die Sonnengefolgschaft hat jetzt schon jede Menge Schwierigkeiten. Wir können's uns leisten, uns etwas Zeit zu lassen.«
    Covenants Blick wich nicht vom Schiff, aber sie spürte, wie sich seine Aufmerksamkeit auf sie verlagerte. »Sag mir eins«, bat er, durch die vielfachen Wortwechsel der Riesen kaum vernehmlich. Riesen und Haruchai sammelten sich erwartungsvoll längs der Hafenmauer. »Bist du der Meinung, ich hätte versuchen sollen, die Sonnengefolgschaft zu stürzen, solange ich die Chance hatte?«
    Die Frage rührte an etwas in Lindens Innerem. Sie ähnelte zu sehr einer anderen Frage, die er ihr möglicherweise gestellt hätte, wäre ihm mehr über sie bekannt gewesen. »Manche Geschwüre müssen herausoperiert werden«, antwortete sie ernst. »Wenn man den Krankheitsherd nicht irgendwie entfernt, muß man den Patienten aufgeben. Glaubst du, die beiden Finger sind dir bloß aus Lust und Laune amputiert worden?«
    Seine Brauen zuckten.
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