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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05
Autoren: Stephen R. Donaldson
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sein mußte. Zwischen den Wanten waren ihre Hünengestalten ein völlig normaler Anblick. Und die Maserung der steinernen Flanken des Schiffs glich Flammen granitenen Eifers.
    Der Stein bereitete Linden eine Überraschung. Unwillkürlich hatte sie die Beschaffenheit des Riesen-Schiffs in Frage gestellt, im Glauben, Granit müsse zu brüchig sein, um den Wogen der Meere standhalten zu können. Während sie sich nun jedoch einen Überblick des Schiffs verschaffte, erkannte sie ihren Irrtum. Dieser Granit wies die leichte, aber unentbehrliche Flexibilität von Knochen auf; seine Art von Lebendigkeit ging weit über die Beschränktheit bloßen Steins hinaus.
    Und diese immanente Vitalität zeigte sich auch bei der Besatzung der Dromond. Sie bestand aus Riesen; aber auf dem Schiff waren sie mehr als das. Sie waren Artikulation und Funktion eines prachtvollen, von Atem durchströmten Organismus, Hände und Lachen eines Lebens, das sie stets von neuem begeistert erregte. Gemeinsam gaben der Stein und die Riesen Sternfahrers Schatz das Aussehen eines Fahrzeugs, das es mit der mächtigen See aufnahm, weil ganz einfach keine andere Bewährungsprobe seinem ihm innewohnenden Tatendrang genügen konnte.
    Die drei Masten, jeder hoch genug für drei Segel, überragten das Achterkastell, auf dem Grimme Blankehans stand, wie Zedern. Im schwachen Seegang schwankte er ein wenig, als wäre er schon mit Brechern unter den Füßen geboren worden, er hatte Salz im Bart, übte mit jedem Blick seiner in tiefen Höhlen befindlichen Augen vollkommene Herrschaft über das Schiff aus. Sein Ruf, mit dem er auf Pechnases Gruß antwortete, hallte von den Mauern und Wällen Herzeleids wider, ließ Coercri zum erstenmal seit vielen Jahrhunderten wieder von Worten des Willkommens tönen. Dann brachten plötzliche Tränen den Sonnenschein und das Schiff vor Lindens Augen ins Verschwimmen, als hätte sie nie zuvor Freude gesehen.
    Einen Moment später hatte sie ihre Sicht freigezwinkert und schaute Covenant an. Spannung hatte sein Gesicht zu einem Grinsen verzerrt, das auf Zuckungen zurückzugehen schien; aber die Gesinnung, die sich hinter der Grimasse verbarg, war für Linden unverkennbar. Er sah hier das Mittel seiner Suche nach dem Einholzbaum vor sich, sein Werkzeug, um das Überleben des Landes zu erzwingen. Und mehr als das: er sah Riesen, Artverwandte jenes Salzherz Schaumfolgers, den er einst so ins Herz geschlossen hatte. Sie brauchte erst gar nicht danach zu fragen, welches Verlangen und welche Furcht es waren, durch die sein Grinsen so sehr einem Zähneblecken ähnelten. Dank des persönlichen Gegenmittels von Schaumfolgers Gelächter war Covenants früherer Sieg über Lord Foul von allem Makel des Hasses gereinigt worden. Und der Preis jenes Sieges war das Leben des Riesen gewesen. Covenant betrachtete die Riesen an Bord der Sternfahrers Schatz voller Sehnsucht und Erinnerungen; er befürchtete, über sie das gleiche Schicksal wie damals über Schaumfolger zu bringen. Auch das war Linden vollauf klar. Wie seine Halsstarrigkeit war auch ihr Trotz aus Verlust und Schuld entstanden. Sie wußte, was es hieß, den Konsequenzen des eigenen Trachtens zu mißtrauen.
    Aber die Ankunft des Riesen-Schiffs beanspruchte ihre ganze Aufmerksamkeit. Wie eine Gischt der Heiterkeit brodelte Lärm vom Schiff herüber. Man warf Pechnase und Seeträumer Taue zu, und die beiden befestigten sie an den lange unbenutzt gebliebenen Pfosten der Hafenmauer. Die Seite der Sternfahrers Schatz schrammte an der Anlegestelle entlang, dann lag das Schiff still, schaukelte nur noch. Sobald die Dromond vertäut war, schwangen der Kapitän und die zwei Dutzend Riesen starke Besatzung sich an Tauen und Strickleitern von Bord und sprangen auf den Pier. Sie begrüßten die Erste voller Zuneigung, drückten Seeträumer, schrien vergnügt auf Pechnase ein. Die Erste reagierte würdevoll auf die Bekundungen des Respekts: mit ihrem wie ehernen Haar und dem Pallasch sicherte sie sich bei aller Vertraulichkeit stets Distanz. Pechnase dagegen brachte genug Fröhlichkeit zum Ausdruck, um sogar Seeträumers Haltung stummer Resignation auszugleichen. Wenig später wandten sich die Riesen Coercri zu, um die Stadt der Entwurzelten, ihrer in alten Zeiten verschollenen Artgenossen, zu besichtigen.
    Linden war umgeben von wettergebräunten, lautstarken Männern und Frauen, doppelt so groß wie sie – wie Eichen gebauten Menschen der See, die dennoch so von Lebhaftigkeit und Wundersamkeit
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