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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Nun musterte er sie, als hätte sie ihn auf irgendeine Weise aus seinen persönlichen Sorgen geschreckt, ihn in einer Art auf sich aufmerksam gemacht, die zwischen ihnen keinen Frieden mehr erlauben konnte. »Du hättest es also getan?« Die Muskeln seiner Kehle waren zusammengekrampft, als er die Frage äußerte.
    Linden vermochte nicht zu vermeiden, daß sie zurückschrak. Du hast einen Mord begangen , hatte Gibbon zu ihr gesagt. Bist du also nicht schlecht? Plötzlich hatte Linden das Gefühl, Covenant hätte dem Wütrich zugestimmt. »Ja«, antwortete sie, während sie darum rang, ihre Empfindungen zu verheimlichen. »Wozu hast du denn all diese Macht?« Sie wußte bereits zu gut, wieviel ihr an Macht lag.
    »Dafür nicht.« Ringsherum waren die Riesen in Schweigen verfallen, erwarteten von ihm ein entscheidendes Wort. In dieser unvermuteten Ruhe drang seine Entgegnung mit der Heftigkeit eines nachdrücklichen Versprechens hinaus auf die Wellen der See. Aber er achtete nicht auf die Zuhörer. »Ich habe schon einundzwanzig Angehörige der Sonnengefolgschaft umgebracht«, führte er an, ihr nun vollends zugewandt. »Ich werde eine andere Lösung finden.« Sie dachte, er werde weitersprechen; doch da bemerkte er ihre Verlegenheit, und obwohl er die wahre Ursache nicht wissen konnte, wandte er sich sofort an die Erste. »Mir wird wohler sein«, sagte er leise, »wenn wir erst einmal unterwegs sind.«
    Die Erste nickte, regte sich jedoch nicht von der Stelle. Statt dessen zog sie ihr Schwert und nahm es wie zu einem Salut in beide Fäuste. »Riesenfreund ...« Zwar sprach sie mit ruhiger Stimme, aber in ihrem Tonfall schwang so etwas wie der Anklang eines Aufrufs mit. »Unserem ganzen Volk hast du ein Geschenk gegeben, das wir dir zu vergelten gedenken. Ich sage dies im Namen der Suche und der Erd-Sicht ...« – sie blickte hinüber zu Seeträumer –, »die uns unvermindert leitet, wenngleich ich beschlossen habe, einen anderen Weg zum selben Ziel einzuschlagen.« Seeträumers Gesicht verkrampfte sich rings um die weiße Narbe, die unterhalb der Augen über seinen Nasenrücken verlief; doch er enthielt sich jeglichen Protests. »Riesenfreund Covenant«, vollendete die Erste ihre Erklärung, »wir stehen zu deiner Verfügung, bis du deine Zwecke erreicht hast.« Covenant blieb stumm, ein Mann, der verstrickt war in Dankbarkeit und Zweifeln an sich selbst. Aber er neigte vor der Ersten der Sucher den Kopf. Diese Geste bewegte Linden inwendig. Sie wirkte, als habe er endlich in sich den Mut zur Annahme von Beistand gefunden; oder wenigstens ein gewisses Selbstwertgefühl, das es ihm gestattete, sie anzunehmen. Aber gleichzeitig war sie froh darüber, den insgeheimen alten Konflikten ausweichen zu dürfen, die er vorhin mit seiner Frage von neuem geweckt hatte. »Laßt uns segeln«, sagte die Erste, und Linden folgte den Riesen ohne zu zögern an Bord der Sternfahrers Schatz.
    Die Seite des Riesen-Schiffs war vor ihr wie eine gewaltige Wand, und als sie Hände und Füße in die dicken Taue der Strickleiter stemmte, die Riesen für sie hielten, schien das Klettern sie in erstaunliche Höhen zu befördern, als wäre das Schiff noch viel größer, als es aussah. Cail klomm ihr nach, um auf sie zu achten, und beiderseits enterten Riesen das Schiff. Sobald sie sich unter die Reling bückte und das Vordeck betrat, vergaß sie jedes Unbehagen. Die Dromond empfing sie mit wahrer Bezauberung. Eine solche Sorte Stein war für Linden völlig ungewohnt, und sie konnte ihre Sinneswahrnehmung nicht allzuweit ausdehnen; doch aller Granit innerhalb ihrer Reichweite machte den Eindruck, so vital zu sein wie lebendiges Holz. Halb rechnete sie damit, unter den Flächen des Riesen-Schiffs das Fließen von Säften spüren zu können. Und dieses Empfinden verstärkte sich noch, sobald die Gefährten an Bord kamen. Wegen seiner Höhenfurcht und der halbierten Hand hatte Covenant mit dem Klettern Probleme; doch gleich darauf half Brinn ihm über die Reling. Indem er entweder Covenant oder Linden folgte, erstieg Hohl geschmeidig eine Strickleiter, blieb danach wie eine Statue seitlich auf dem Vordeck stehen, lächelte sein schwarzes, mehrdeutiges Lächeln. Ceer und Hergrom schienen geradezu an den Tauen emporzuschweben. Und mit jedem Paar Füße, das den Stein betrat, verströmte Sternfahrers Schatz mehr rastlose Kraft in Lindens Nerven. Selbst durch ihre Schuhe fühlte sich der Granit zu schwimmfähig und lebenstüchtig an, um jemals von
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