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Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin

Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin

Titel: Der Eid der Kreuzritterin - Jordan, R: Eid der Kreuzritterin
Autoren: Ricarda Jordan
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Fürsten. Mein richtiger Name ist Mariam al-Sidon. Als die Stadt von den Franken erobert wurde, ergab sich mein Vater, und mein Bruder und ich kamenals Geiseln an einen teutonischen Hof. Ich wuchs dort auf, wurde christlich erzogen – und als ich heimkehren und verheiratet werden sollte, weigerte ich mich. Stattdessen ging ich ins Kloster. Mein Bruder kehrte zurück ins Heilige Land – ich habe nie wieder von ihm gehört. Und auch nicht von meiner sonstigen Familie. Aber meine Sprache ist mir geblieben … Schau, dies ist eine Schrift von Abu Ali al-usayn ibn Abd Allah ibn Sina – die Franken nennen ihn Avicenna.«
    Konstanze interessierte sich jetzt nicht mehr so sehr für die Schriften. Schwester Marias Geschichte erschien ihr fesselnder als die Medizin.
    »Aber … aber warum wolltet Ihr denn nicht heiraten?«, brach es aus ihr heraus. »Warum habt Ihr … das hier … vorgezogen?«
    Die Medica lächelte – fast ein bisschen wehmütig.
    »Mein Vater wollte mich nach Alexandria verheiraten. An einen muslimischen Hof. Ich hätte also meinen alten Glauben wieder annehmen müssen – jedenfalls, wenn ich als geehrte erste Gattin in den Harem meines Herrn eintreten wollte, und nicht als Konkubine!«
    Konstanze musterte die Schwester mit ganz neuer Ehrfurcht. Sie war die erste zum Christentum bekehrte Muslimin, die ihr begegnete. Bisher hatte sie nur von Kreuzzügen und fränkischen Märtyrern gehört, die sich für Christus aufopferten. Schwester Maria hatte sogar der Ehe entsagt …
    »Ich fürchtete mich vor dem Harem«, gestand die Medica. »Meine Pflegemutter schilderte ihn mir wie ein Abbild der Hölle – obwohl ich mich gar nicht an so Schreckliches erinnerte, schließlich wurde ich in einem Harem geboren. Aber ich glaubte meiner Pflegemutter und den Priestern, ich wollte nicht eingesperrt irgendwo in einem Frauengemach leben.« Schwester Maria lächelte. »Und nun frage ich mich manchmal, wo der Unterschied liegt zwischen dem Leben, das ich ablehnte, und dem, das ich führe … aber das grenzt an Ketzerei, Kleines, das hast du nicht gehört! Genau wie ich nichtsvon den Hintergründen deiner Visionen weiß. Willst du jetzt lernen, wie man diese Codices liest?«
    Konstanze zögerte. »Könnt Ihr es mir nicht einfach sagen, was ich wissen möchte, Ehrwürdige Schwester?«, fragte sie. »Ich meine, wenn Ihr doch Kenntnis darüber habt, wie man diese Augenkrankheit heilt …«
    Schwester Maria seufzte. »Ach Kind, diese Krankheit … es gibt ein Mittel, aber es ist eine chirurgische Maßnahme: Man muss in das Auge hineinstechen. Ich würde mir das nicht zutrauen, und ich würde deinen Engeln auch nicht raten, es vorzuschlagen. Schließlich können wir uns nicht mit den Badern auf Jahrmärkten gleichstellen – auch wenn die manch altes Wissen bewahrt haben. Also, vergiss die Augen von Schwester Benedicta. Aber du kannst hier etwas über andere Heilmittel erfahren. Wahrscheinlich mehr als das Wenige, an das ich mich erinnere. Es ist lange her, seit ich diese Bücher studiert habe, Mädchen. Und du hast jüngere Augen.«
     
    Von da an unterrichtete die Schwester aus dem Heiligen Land das Mädchen vom Rhein in ihrer Sprache. Und in Konstanzes »Visionen« schlichen sich immer mehr Offenbarungen aus dem Orient ein, entnommen den Schriften von Ar-Razi oder Ibn Sina.
    Während sie so zur anerkannten »Seherin« aufstieg, ließen Konstanzes tatsächliche Visionen im Laufe der Jahre nach. Jetzt, mit sechzehn, empfing sie kaum noch Bilder und war heilfroh darüber. Auch die Hänseleien der anderen Novizinnen waren mit der Zeit verstummt. Konstanze galt als designierte Nachfolgerin Schwester Marias in der Klosterapotheke, und sie war damit nicht unzufrieden. Im kommenden Jahr würde sie ihre Gelübde ablegen und konnte sich dann noch intensiver der Medizin und Krankenpflege widmen.
    Das junge Mädchen sagte sich immer wieder, dass es Gott für dieses Leben danken sollte, das da wie ein leicht lesbares Buch vor ihm aufgeschlagen lag. Außerhalb des Klostershätte Konstanze niemals Sprachen erlernt, die Welt der Bibliotheken wäre ihr verschlossen geblieben, und sie hätte sehr viel härter im Haushalt arbeiten müssen. Auf dem Rupertsberg wurden die Novizinnen nur zu kleinen Helfertätigkeiten herangezogen, die Schwestern widmeten sich lediglich ihren speziellen Aufgabenbereichen in der Kirche und in den Studier- und Schreibstuben. Sie lebten recht angenehm, verwöhnt von Laienschwestern, deren Rang nicht weit über dem
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