Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Durchblicker: Novelle (German Edition)

Der Durchblicker: Novelle (German Edition)

Titel: Der Durchblicker: Novelle (German Edition)
Autoren: Irvine Welsh
Vom Netzwerk:
meinem Griff.
    Mein Körper ist von Kopf bis Fuß mit diesem rosafarbenen Film überzogen. Er zersetzt meine Kleidung, löst sie einfach auf, lässt aber meine Haut unversehrt. Er setzt sich darauf fest, hart und schützend wie eine zweite Haut. Ich muss wie eine Schaufensterpuppe aussehen. Ich bin nackt, aber fühle mich nicht schutzlos. Ich fühle mich stark.
    Die Liftanzeige verrät mir, dass minus89 das unterste Stockwerk ist. Mehr als zwei Drittel dieses Gebäudes liegen unterirdisch. Ich muss Kilometer, na ja zig Meter unter der Erdoberfläche sein.
    Ich trete aus dem Aufzugsschacht. Die Aufzugstüren sind irgendwie verschwunden, und ich steige bei minus89 einfach aus. Ich befinde mich immer noch in einer Art Bauwerk, und auch wenn die Wände sich zu bewegen und zu atmen scheinen, sieht es doch ganz wie das große Kellergeschoss aus, das es sein sollte. Es ist öde und anscheinendmenschenleer. Gigantische Betonsäulen stützen diese seltsame Konstruktion, die künstlich und organisch zugleich ist.
    Eine kleine menschenähnliche Gestalt mit dem Kopf eines Reptils schlurft in einem braunen Mantel daher, mit pfeifendem Atem, und schiebt etwas, das wie ein Einkaufswagen voller Kartons aussieht.
    – Verzeihung, rufe ich,– wo sind wir hier?
    – Im scheißunnersten Stock, ruft dieses Ding, anscheinend schwer geplagt.
    – Was ist dahinter? Ich zeigte auf ein Schild mit der Aufschrift AUSGANG , ein Zeichen, auf das das Wesen zusteuerte.
    – Beschwerden, grinst es mir zu, fährt sich dabei mit der Reptilienzunge über eine seiner schuppigen Wangen.– Da ham doch n paar Ärsche glatt Blattläuse in meine Zentralheizung gekippt. Will ich sofort erledigt ham. Biste wegen ner Frau hier unnen?
    – Äh, nee … ich mein, ja; ich fragte mich gerade, wo sie stecken mochte, wie weit oben in diesem Bau.
    Seine kalten Augen ruhen auf mir.– Wennde willst, fick ich dich auf der Stelle. Ich fick dich für lau. Du brauchs keine Fraun, keucht es und kommt näher. Ich weiche zurück …
    BLEEEEEEEEEGGGHHHHH !– EH DU ARSCHGESICHT !
    Eine Hupe tönt, und eine Stimme brüllt.
    Ich bin auf der Ferry Road, auf der dichter Verkehr Richtung Leith Docks rauscht. Ein LKW fährt links ran, und der Fahrer lehnt sich raus und droht mit der Faust.– Eh du Spinner! Ich hätt dich beinah umgebracht! Er macht die Fahrertür auf, springt raus und kommt auf mich zu.– Ich bring dich um!
    Ich gehe stiften. Es macht mir nichts, von seinem LKW plattgemacht zu werden, aber von ihm plattgemacht zuwerden schon. Weil das so was Erniedrigendes hat. Das wär alles zu persönlich. Es gibt nichts Schlimmeres, als Prügel von einem bedeutungslosen Menschen zu beziehen. Körperliche Auseinandersetzungen mit anderen sind zu nahe am Ficken. Da rotiert das Er.
    Ich fühle mich grausam, aber nach Haus kann ich nicht gehen. Ich kann nicht zurück in den Park. Ich schlendere eine Weile rum und versuche wieder nen klaren Kopf zu bekommen. Ich lande schließlich in Veitchys Bude in Stockbridge. Minus89. Fick sei Dank, dass ich da raus bin. Aber jetzt zittere ich, und mir ist schlecht. Ich muss entweder die Zähne zusammenbeißen oder zurück auf Etage minus89.
    – Alles klar, ihr Nasen?
    – Ha ha ha, der Mann persönlich! Veitchy grinst und lässt mich rein.– Siehst aus, als hätteste n Gespenst gesehen.
    – Nee. Ich hab Schlimmeres gesehen: Raymie, nen Hai, ne Frau, n Reptil. N Gespenst war nich dabei.
    – Ha ha ha, du bist so n verrücktes Arschloch, Brian, aber ehrlich. N Bier?
    – Nee, Pep im Haus?
    – Nee.
    – Dann darfste mir ne Tasse Tee anbieten. Milch, kein Zucker. Penman da?
    Da hab ich Veitchy wohl an nem wunden Punkt erwischt.– Red mir bloß nich von der Fotze. Denkt, er kann hier in meiner Hütte seinen Scheiß rumliegen lassen. Ich sach dir’s, Bri, ich bin immer für n Kumpel da, aber der wird unverschämt. Der Arsch nimmt sich ganz schön was raus, ohne Scheiß, nee echt.
    Ich setz mich hin und gucke fern und lass Veitchy weiter über Penman herziehen. Scheißleben, kann ich bitte mal n neues haben?
    Am nächsten Tag erzählt mir Ian Caldwell, ich wäre obenin seiner Bleibe am Inchmickery Court in Pilton gewesen. Ein Hochhaus. Ich kann mich nicht erinnern. Eines Tages muss ich noch mal nach Paris, noch mal zum Tour Montparnasse. Mit ihr. Aber sie ist abgehauen. All die Frauen in meinem Leben sind abgehauen. Meine eigene Scheiß-Mutter ist abgehauen.
    Die Spätschicht war doch ereignisreicher, als ich erwartet
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher