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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm
Autoren: Philip K. Dick
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bemerkte, daß sie ein kurzes Messer in der Hand hielt und dieses Messer genau auf seinen Magen gerichtet war. »Hau ab«, sagte sie, wobei sie unbeirrt weiterging, ohne langsamer zu werden oder auch nur einen Augenblick lang zu zögern.
    »Bestimmt bist du’s«, sagte Charles Freck. »Wir ha-
    ben uns mal auf seiner Bude kennengelernt.« Er konnte das Messer kaum sehen, nur ein winziges Stückchen der Klinge, aber er wußte, daß es da war. Sie würde ihn einfach niederstechen und dann weitergehen. Er wich immer weiter zurück, die Hände in einer abwehrenden Geste erhoben. Das Mädchen verbarg das Messer so geschickt in ihrer Hand, daß vielleicht keiner der anderen Passanten es bemerken würde. Aber er, Charles Freck, bemerkte es nur zu gut; die Klinge zielte genau auf ihn, als das Mädchen ohne zu zögern näher kam. Im letzten Augenblick trat er zur Seite, und das Mädchen ging einfach schweigend weiter.
    »Mensch, hör doch mal!« sagte er zu ihrem Rücken.
    Ich bin mir doch ganz sicher, daß es Donna ist, dachte er.
    Sie kommt bloß im Moment nicht drauf, wer ich bin und daß wir uns kennen. Hat wohl Angst, daß ich ihr an den 23
    Arsch will. Heutzutage muß man verdammt vorsichtig
    sein, wenn man auf der Straße ‘ne fremde Puppe an-
    quatscht. Die sind jetzt alle auf der Hut. Na ja, kein Wunder, wenn man bedenkt, was denen schon alles passiert ist!
    Heißes kleines Messer, dachte Freck. Wäre besser,
    wenn die Puppen nicht mit so was ‘rumspielten; jeder Macker könnte ihr das Handgelenk rumdrehen und die
    Klinge auf sie selbst richten, wenn er’s wirklich darauf anlegen würde. Ich hätt’s auch tun können. Wenn ich sie wirklich hätte anmachen wollen. Er stand einfach nur da und ärgerte sich. Ich weiß doch ganz genau, daß das Donna war, dachte er.
    Gerade als er zu seinem Wagen zurückgehen wollte,
    bemerkte er plötzlich, daß das Mädchen am Rand des
    sich dahinwälzenden Fußgängerstroms stehengeblieben war und schweigend zu ihm herüberstarrte.
    Er ging vorsichtig auf sie zu. »Eines Abends«, sagte er, »hatten ich und Bob und noch so ‘ne Puppe ein paar uralte Simon-und-Garfunkel-Bänder aufgetrieben, und du saßest da –« Sie hatte die ganze Zeit über Kapseln mit astreinem Tod gefüllt, eine Kapsel nach der anderen, ganz systematisch. Stundenlang. El Primo. Numero Uno: Tod. Und als sie damit fertig gewesen war, hatte sie jedem eine Kapsel angeboten, und sie hatten sie eingeworfen. Alle, nur Donna nicht. Ich deale nur mit dem Zeug, hatte sie gesagt. Wie soll ich denn noch ‘n Schnitt machen, wenn ich die Dinger alle selber schlucke?
    Das Mädchen sagte: »Ich dachte, du wolltest mir eins überziehen und mich dann durchbumsen. «
    24
    »Nein«, sagte er. »Ich hab’ nur gedacht, ich könnte dich …« Er zögerte. »Na ja, ich könnt’ dich ein Stück im Wagen mitnehmen … Auf dem Bürgersteig?!?« erkundigte er sich ungläubig, als er begriff, was sie eigentlich gesagt hatte. »Am hellichten Tage?!?«
    »Vielleicht in einem Hauseingang. Oder du würdest
    mich in einen Wagen schleifen.«
    »Aber wir kennen uns doch«, protestierte Freck. »Und Arctor würde mich allemachen, wenn ich das täte.«
    »Du, ich hab’ dich gar nicht erkannt.« Sie kam drei Schritte auf ihn zu. »Ich bin ‘n bißchen kurzsichtig.«
    »Dann solltest du Kontaktlinsen tragen.« Ihm fiel auf, daß sie klare, große, dunkle, warme Augen hatte. Was bedeutete, daß sie nicht auf Dope war.
    »Hatte ich ja früher mal. Aber dann ist mir eine rausgefallen, direkt in ‘ne Bowlenschüssel. Du weißt schon, Acid-Bowle, auf ‘ner Party. Das Ding ist direkt bis auf den Boden gesunken, und wahrscheinlich hat sie wer
    rausgeschöpft und mitgetrunken. Hoffentlich hat’s ihm geschmeckt; ich hab’ immerhin fünfunddreißig Dollar dafür hinlegen müssen.«
    »Kann ich dich denn nun irgendwohin mitnehmen?«
    »Du willst mich ja doch nur im Wagen durchbumsen.«
    »Nein«, sagte Freck. »Ich krieg’ im Moment sowieso
    keinen hoch, schon seit ‘n paar Wochen nicht mehr. Muß an was liegen, womit die den Stoff strecken. Irgendwas Chemisches.«
    »Mann, das ist ja ‘ne heiße Ausrede, aber damit ist mir schon mal einer gekommen. Alle bumsen mich nur
    durch.« Sie verbesserte sich sofort. »Jedenfalls versuchen 25
    sie’s. So läuft’s nun mal, wenn man ‘ne Puppe ist. Ich hab’ jetzt gerade ‘nem Typen ein Gerichtsverfahren angehängt, wegen Belästigung und handgreiflicher Beleidigung. Mein Anwalt verlangt 40 000
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