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Der dunkle Schirm

Der dunkle Schirm

Titel: Der dunkle Schirm
Autoren: Philip K. Dick
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dachte Charles Freck, während er aus der Parklücke setzte und sich in den Nachmittagsverkehr auf dem Harbor Boulevard einfädelte. Mindestens ein Päckchen mit zwanzig Kilo drin.
    Er hätte für sein Leben gerne gewußt, wann und wie
    sie jeden Morgen das Zwanzig-Kilo-Päckchen mit Sub-
    stanz T bei der Discount -Drogerie ausluden und woher 14
    der Stoff eigentlich kam – aus der Schweiz vielleicht oder von einem fernen Planeten, auf dem eine weise Rasse lebte. Vielleicht wußte das auch nur der liebe Gott. Vielleicht lieferten sie den Stoff in aller Herrgottsfrühe aus, unter dem Schutz bewaffneter Wächter – unter dem Feu-erschutz Des Mannes, der da mit einem Lasergewehr rumlungert und so finster und drohend dreinschaut, wie es Der Mann immer tut. Wenn irgendwer mir meinen Langsamen Tod abklaut, dachte Charles Freck, wobei er sich in den Kopf Des Mannes versetzte, dann werde ich ihn auslöschen.
    Vielleicht ist Substanz T ein fester Bestandteil aller Arzneimittel, die irgendwas taugen, dachte er. Eine kleine Prise hier und da, gemäß der geheimen, exklusiven Formel, die von den Herstellern, die Substanz T entwik-kelt haben, in einem Tresor in ihrem Stammhaus in
    Deutschland oder in der Schweiz wie ein Staatsgeheimnis gehütet wird. Aber in Wirklichkeit wußte Charles Freck es besser; die Behörden vernichteten alle (oder sperrten sie zumindestens ein), die Substanz T verkauften oder transportierten oder konsumierten. Folglich würde auch die Discount -Drogerie – ja, die Millionen und A-bermillionen von Discount -Drogerien! – auf der Flucht erschossen oder unsanft aus dem Geschäft gedrängt oder wenigstens eingesperrt werden. Vermutlich doch nur
    eingesperrt. Discount war eine einflußreiche Ladenkette.
    Und überhaupt, wie erschießt man eigentlich eine Kette großer Drogerien? Oder wie sperrt man sie in den Knast?
    Dann haben die wohl doch nur den üblichen Kram,
    dachte er, während er über den Boulevard dahinkreuzte.
    15
    Er fühlte sich lausig, weil er nur dreihundert Tabletten Langsamer Tod für Notzeiten wie diese zurückgelegt hatte, sorgfältig im Hinterhof unter der Kamelie vergraben – unter der Hybridkamelie mit den kühlen, großen Blättern, die auch im Frühling nicht braun wurden. Ich hab’ nur noch eine Wochenration, dachte er bestürzt.
    Was mach’ ich bloß, wenn ich auf dem trockenen sitze?
    Scheißdreck!
    Mal angenommen, daß allen Dopern in Kalifornien
    und in einem Teil Oregons der Arsch am selben Tag auf Grundeis geht, dachte er. Wow.
    Das war der absolute Hit unter den Horrorvisionen, die er manchmal in seinem Kopf abspulte. Und nicht nur er, sondern jeder Doper. Der ganze Westen der Vereinigten Staaten sitzt plötzlich zur gleichen Zeit auf dem trockenen, und alle Doper gehen am selben Tag auf Turkey, vielleicht so gegen sechs Uhr an einem Sonntagvormit-tag, während sich die Spießer gerade fein machen, um eine Runde beten zu gehen.
    Ort: Die First Episcopal Church von Pasadene, um
    8.30 Uhr vormittags am Grundeis-Sonntag.
    »Liebe Pfarrgemeinde, so lasset uns nun Gott den Herrn anrufen und Ihn darum anflehen, daß Er Seine Gnade
    leuchten lasse über jenen, die sich zu dieser Zeit mit Ent-zugssymptomen in Todesqualen auf ihren Betten winden.«
    »Sein Wille geschehe.« Die Gemeinde bekräftigt die
    Worte des Priesters.
    »Doch bevor Er nun gnädiglichst eingreift und unsere Brüder und Schwestern mit einer größeren Lieferung von –«
    Offenbar hatte die Besatzung eines Streifenwagens
    16
    etwas an Charles Frecks Fahrstil bemerkt, was ihm selbst noch gar nicht aufgefallen war; jedenfalls hatte die Schmiere ihren Standplatz verlassen und folgte dem
    Chevy nun dichtauf, bisher noch ohne Blaulicht oder Sirene, aber …
    Vielleicht fahr’ ich ja Schlangenlinien oder was, dachte Charles Freck. Scheiß Viehtransport, der klebt mir ja direkt an der Stoßstange. Bin gespannt, was die mir an-hängen wollen.
    BULLE: »All right, Ihren Namen bitte.«
    »Meinen Namen?« (MIR FÄLLT KEIN NAME EIN.)
    »Sie wissen Ihren eigenen Namen nicht mehr?« Bulle
    gibt dem anderen Bullen im Streifenwagen ein Handzeichen. »Der Typ hier ist anscheinend ausgeklinkt.«
    »Bitte, erschießen Sie mich nicht hier!« Charles Freck in seiner Horrorvision, die der Anblick des Streifenwagens im Rückspiegel ausgelöst hat. »Nehmen Sie mich doch bitte wenigstens mit zur Wache und erschießen Sie mich da, wo’s nicht alle Leute sehen.«
    Um in diesem faschistischen Polizeistaat zu überleben, dachte er,
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