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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk
Autoren: Eric Ambler
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sich, ihn zu sehen.
    Als er den Weg, den er gekommen war, zurückging, zitterten ihm die Knie ein wenig. Sein Herz wurde von Bitterkeit erfüllt. Durand hatte ihn verraten. Doch dann nahm er sich zusammen, seine Lippen wurden schmal, und in seine Augen trat der stahlharte Blick. Nun gut, dann würde er es eben ohne Durands Hilfe machen. Er war immer ein Einzelgänger gewesen, er würde auch jetzt wieder auf eigene Faust handeln.
     
    Seine erste Handlung war, in einem Waffengeschäft: am Boulevard St. Michel eine Selbstladepistole und Munition zu kaufen. Es war ein kleiner Browning, eine tödliche kleine Waffe, und Carruthers verbrachte zehn Minuten am Schießstand des Ladens, bevor er zu Groom ins Ritz ging. Er beabsichtigte nicht, den Browning zu gebrauchen, aber es tat gut, ihn bei sich zu haben. Er nahm sich ein Taxi.
    Der Frühlingsmorgen freute ihn jetzt gar nicht mehr. Er lehnte sich im Wagen zurück und bereitete sich auf das Treffen mit Groom vor. Groom durfte auf keinen Fall merken, daß er nicht ein harmloser, weltfremder Wissenschaftler war. Würde er die Rolle durchhalten können? Carruthers war felsenfest davon überzeugt. Hatte er nicht ebenso gute Kenntnisse in Atomphysik wie dieser Professor, dieser Barstow? Carruthers war auch davon überzeugt. Er brauchte ja Kassens Arbeit nur zu überfliegen, und schon würde er Kassens Geheimnis kennen. Unterdessen mußte er aber Grooms Vertrauen gewinnen. Das müßte zu schaffen sein. Was geschehen würde, wenn Groom den Wolf im Schafspelz witterte, was ja früher oder später unvermeidlich sein würde, war zum jetzigen Zeitpunkt ohne Belang.
    Siegessicher stieg er aus und trat durch das Rokokoportal des Ritz.
    Der Empfangschef war äußerst zuvorkommend.
    Monsieur Groom? Aber gewiß. Wenn Monsieur die Liebenswürdigkeit haben würde, sich einen Moment zu gedulden. Er sprach schnell ein paar Worte ins Telefon, drehte sich dann um, tiefstes Bedauern in allen seinen Gesichtszügen.
    »Monsieur haben leider kein Glück«, sagte er dann. »Monsieur Groom ist vor zehn Minuten abgereist.«
     
    Zuerst wollte Carruthers dem Empfangschef nicht glauben. Das war eine List, um ihn von der Fährte abzubringen. Doch dann fiel ihm ein, daß er Barstow war und nicht Carruthers, und er tat seinen Verdacht als absurd beiseite. Der Hotelangestellte hatte nicht den geringsten Anlaß, ihn hinters Licht zu führen.
    Er stellte ihm einige Fragen.
    Der Empfangschef gab sich alle Mühe, sie zu beantworten. Der Gepäckträger wurde herbeigerufen. Ja, er erinnere sich an Monsieur Groom. Monsieur Groom hatte ihm ein sehr großzügiges Trinkgeld gegeben. Er war erst vor zehn Minuten zur Gare de L’Est gefahren.
    Carruthers fragte sofort nach einem Fahrplan, bekam einen gereicht und fand auf den ersten Blick, was er suchte. Groom war zweifelsohne zum Bahnhof gefahren, um den Zug nach Bukarest zu nehmen, von wo er dann nach Zovgorod Weiterreisen würde.
    »Kann man hier im Hotel Fahrkarten bekommen?« fragte Carruthers.
    »Nein, aber hier gleich um die Ecke ist ein Wagon-Lits-Büro. Wenn Monsieur wünschen …«
    Carruthers drückte dem Mann ein Zehnfrancstück in die Hand und eilte zum Reisebüro.
    Auch hier war ihm das Glück hold. Der Angestellte erinnerte sich nach Carruthers Beschreibung sofort an Groom. Dieser hatte heute morgen eine Fahrkarte nach Zovgorod gekauft und im rumänischen Kurswagen nach Bukarest ein Abteil für sich allein gebucht. Der Zug fahre in einer Viertelstunde. Wenn Monsieur sich beeilten, würde er ihn vielleicht noch erwischen.
    Carruthers rauchte vor Ungeduld, während die komplizierte Fahrkarte ausgestellt wurde. Dann sprang er in ein wartendes Taxi. Angespornt von einer 50-Franc-Note und dem Versprechen, daß er noch eine bekomme, wenn er den Zug noch bekomme, raste der Chauffeur mit der Geschwindigkeit eines Rennfahrers mit seinem Renault um die Kurven.
    Als sie die Zufahrt zum Bahnhofplatz hinauffuhren, blieb noch eine Minute. Carruthers warf dem Fahrer die versprochenen 50 Francs in den Schoß, sprang aus dem Wagen und rannte in den Bahnhof. Auf der Anzeigetafel sah er, daß der Zug auf Gleis 1 stand.
    Die Lokomotive pfiff, als Carruthers den Bahnsteig entlang spurtete. Mit einem Riesensatz sprang er auf den letzten Wagen des fahrenden Zuges und ging dann durch den Korridor zum rumänischen Kurswagen. Das erste Abteil schien leer zu sein. Er hatte die Schiebetüre zurückgeschoben und war eingetreten, als er ein großes Schild sah, auf dem réservé
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