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Der dunkle Grenzbezirk

Der dunkle Grenzbezirk

Titel: Der dunkle Grenzbezirk
Autoren: Eric Ambler
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eine Stimme, die Stimme Grooms, der leise, wie aus großer Entfernung sprach. »Sollten Sie Ihre Ansicht ändern …«
    Mit einem Seufzer trat er stärker aufs Gaspedal.
    »Sollten Sie Ihre Ansicht ändern … Sollten Sie Ihre Ansicht ändern … Sollten Sie Ihre Ansicht ändern …« die Worte ertönten im Gleichtakt mit dem Motor. Er konnte ihnen nicht entkommen, er konnte sie nicht abschütteln. » Sollten Sie Ihre Ansicht ändern …« Sein Griff am Steuerrad war so fest, daß die Knöchel weiß wurden. Schweiß lief ihm in die Augen. »Sollten Sie Ihre Ansicht ändern.« Die Wiederholung war zum Wahnsinnigwerden. Nun nahm erst langsam, dann mit zunehmender Stoßkraft ein anderer Satz den Rhythmus auf. Es war aber jetzt die Stimme von Conway Carruthers, die er hörte, eine stärkere, zwingendere Stimme, die die andere übertönte.
    »Ich fahre noch heute nacht nach Zovgorod. Ich fahre noch heute nacht nach Zovgorod. Ich fahre noch heute nacht nach Zovgorod.«
    Mit einem Schrei schlug der Professor die Hände vors Gesicht.
    Krachend streifte der Wagen den Damm. Als der Professor seine Augen für den Bruchteil einer Sekunde öffnete, sah er den Kühler emporsteigen und sich in der Luft drehen. Dann fühlte er, wie er sank und immer tiefer sank.
     
    Es war dunkel und der Mond war aufgegangen, als der Professor wieder aus seiner Ohnmacht erwachte.
    Er lag am Abhang des Dammes. Mit Mühe setzte er sich auf. Er konnte die Umrisse seines Wagens sehen, der umgestürzt neben der Straße lag. Sein Kopf schmerzte grauenhaft. Er legte sich die Hand auf die Stirne. Sie war voller Blut, das im Mondlicht schwarz schien. Schwankend stand er auf.
    Am Fuß des Dammes war ein Bach. Er mühte sich hinunter und benetzte sein Gesicht. Das eiskalte Wasser belebte ihn ein wenig. Dann ging er zu seinem Wagen.
    Er lag eingekeilt zwischen dem Fuß des Dammes und der Straße. Er sah sofort, daß er es nicht schaffen würde, den Wagen wieder auf die Räder zu stellen. Das Dach jedoch hatte den Sturz relativ heil überstanden, und es gelang dem Professor, seinen Koffer durch einen Riß herauszuzerren. Er trat mit dem Koffer in der Hand auf die Straße.
    Einen Moment zauderte er, unentschlossen, welche Richtung er einschlagen sollte. Auf der linken Seite der Straße glänzte silbrig die Heide. Plötzlich sprach er. Es klang, als habe er es auswendig gelernt.
    »Und so liegt’s denn an uns, die Zivilisation zu retten«, sagte er langsam. Dann machte er eine Pause. Als er fortfuhr, tönte seine Stimme kräftiger. »Zuerst heißt’s einmal, Cator & Bliss zuvorzukommen. Ich fahre noch heute nacht nach Zovgorod.«
    Er knöpfte seinen Mantelkragen zu, verließ elastischen Schrittes die Straße und marschierte in südlicher Richtung über die Heide.
     
    Am Abend des Tages, der dem folgte, an dem Professor Barstow in Launceston zu Mittag gegessen hatte, betrat ein Mann mit einem Koffer das Hotel Imperial in Plymouth und fragte nach einem Zimmer.
    Zwei Dinge beeindruckten den Portier an der Reception. Das eine war das eingetrocknete Blut an der Schläfe des Mannes. Das andere war der unverwandte Blick seiner kühlen, stahlgrauen Augen.
    »Nummer 356, Sir«, sagte der Portier an der Reception. »Wenn Sie sich bitte im Hotelregister eintragen wollen.«
    Der Mann nahm es und schrieb ohne zu zögern seinen Namen.
    Der Portier überflog den Namen und schellte dann nach dem Gepäckträger.
    »Bringen Sie Mr. Carruthers’ Gepäck auf Zimmer 356«, sagte er.

3. Kapitel
    19. und 20. April
     
    Den Hut tief in die Stirn gezogen, die untere Gesichtshälfte in einem Halstuch verborgen, bestieg der Mann, der sich Conway Carruthers nannte, in Le Havre den Zug nach Paris.
    Er fand leicht ein Abteil für sich allein, denn der Zug war an diesem Tag halbleer. Tarnung, so sagte er sich, war zum jetzigen Zeitpunkt äußerst wichtig, denn er hätte ja erkannt werden können. Dank der fehlerlosen Organisation von Department »Y« hatte er jedoch einen überzeugenden Decknamen. Professor Barstow, der bedeutende Physiker, würde weiter nicht auffallen, während der Name Conway Carruthers Argwohn und Furcht erregen würde.
    Er zog seinen Paß aus der Tasche und überprüfte ihn.
    Alles war in Ordnung. Abgesehen vom Namen hätte es sein eigener Paß sein können. Er lächelte grimmig beim Gedanken, daß der ehrenwerte Professor sich auf ein so halsbrecherisches Unterfangen einließ. Das war fast so komisch wie die Vorstellung, daß Groom sich ausgerechnet Conway
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