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Der Duft

Titel: Der Duft
Autoren: Aufbau
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doch von Anfang an genau, warum wir da sind. ›Mein Freund Wullenweber‹. Das war
     doch alles sorgfältig vorbereitet. Und ihr seid auf seine Beleidigte-Leberwurst-Masche |33| reingefallen! Ich sage euch, wenn wir es bei dem mit Freundlichkeit versuchen, beißen wir auf Granit!«
    »Vielleicht hast du recht, und Scorpa wollte von Anfang an auf eine Konfrontation hinaus«, entgegnete Konstantin. »Dann ist
     es umso dümmer, ihm dafür ausreichend Anlass zu bieten! Er hat uns aus seinem Büro geworfen und hatte reichlich Grund dazu.
     Es wird verdammt schwierig werden, ihn dazu zu bewegen, uns die nötigen Informationen zu geben.«
    »Bewegen? Den kannst du höchstens zur Kooperation zwingen! Unsere einzige Chance ist, uns Rückendeckung von Borlandt zu holen
     und mit Härte gegen diesen Typen vorzugehen!«
    Für Marie war es nun an der Zeit einzugreifen. Sie durfte nicht zulassen, dass die beiden sich in einen ernsthaften Streit
     hineinsteigerten. »Schluss jetzt! Dass wir gleich wieder zu Borlandt laufen, kommt überhaupt nicht in Frage. Die Kommunikation
     mit Scorpa übernehme ab sofort ich allein.« Sie war immer noch wütend, aber ihre Stimme blieb ruhig und bestimmt. Eine Projektleiterin
     konnte sich ihre Teammitglieder nicht immer aussuchen. Wenn sie Partnerin werden wollte, musste sie auch in einer so schwierigen
     Lage souverän bleiben und ihre Autorität wahren.
    Sie beschloss, sich Rico später noch einmal in Ruhe vorzunehmen und ihm klarzumachen, dass er mit seinem Verhalten nicht nur
     ihre, sondern auch seine Zukunft bei Copeland aufs Spiel setzte. Jeder Projektleiter erstellte regelmäßig Leistungsbeurteilungen,
     sogenannte Project Performance Assessments, für seine Berater. Diese Bewertungen bildeten einen wichtigen Bestandteil bei
     der Festlegung der Jahresboni und der zukünftigen Aufstiegschancen. Marie hasste es, dieses Instrument als Druckmittel zu
     benutzen, aber in Ricos Fall würde ihr wohl nicht viel anderes übrig bleiben.
    |34| Sie bauten ihre Laptops auf und beschäftigten sich den Rest des Tages mit den Bilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen der
     Firma. Dabei fanden sie heraus, dass Olfana eine Forschungsstation irgendwo in Afrika unterhielt, die beträchtliche Kosten
     verursachte. Allein die Reisekosten des Managements lagen im sechsstelligen Bereich. Sie würden sich die Sache auf jeden Fall
     noch genauer ansehen müssen, ob Scorpa das wollte oder nicht.
    Gegen halb acht sah Marie auf die Uhr. »Ich glaube, wir machen für heute Feierabend.«
    »Einverstanden«, sagte Konstantin.
    »Geht ruhig schon ins Hotel, ich bleibe noch ein bisschen«, sagte Rico. »Ich will noch mal die Veränderung der Eigenkapitalquote
     in den letzten Jahren durchrechnen. Ich nehme mir später ein Taxi.«
    Marie zuckte mit den Schultern. Es war nicht unüblich, dass Copeland-Beraterteams bis abends um zehn oder elf Uhr arbeiteten.
     Sie hatte von dieser Praxis nie viel gehalten. Irgendwann ließ die Arbeitsproduktivität stark nach, und man begann, Fehler
     zu machen. Ein bisschen Entspannung am Abend als Ausgleich war mittelfristig wesentlich wirksamer als das Arbeiten bis zur
     totalen Erschöpfung. Gerade heute fühlte sie sich nicht danach, noch länger zu bleiben. Außerdem wusste sie, dass Ricos übertriebener
     Einsatz nur seine Art war, sich gegen ihre Autorität aufzulehnen. Jetzt nicht zu gehen, hätte er ihr wiederum als Schwäche
     ausgelegt.
    »Viel Spaß noch«, sagte Konstantin grinsend, als sie den Teamraum verließen.
     
    Das Hotel, eine alte Villa mit nur wenigen, dafür aber exklusiven Gästezimmern, lag etwas außerhalb der Stadt am Rand eines
     Wäldchens. Marie achtete bei der Auswahl ihrer Unterkunft immer darauf, dass sich in der Nähe eine |35| Gelegenheit zum Joggen befand. Unternehmensberater stiegen in der Regel in den besten Hotels ab. Diese Praxis wurde von Betriebsräten
     oft als unnötiger Luxus kritisiert, doch der Lebensstil eines Beraters war alles andere als luxuriös. Ständig unterwegs zu
     sein, jeden Werktag in einem Hotelzimmer aufzuwachen, war kein Vergnügen. Eine Unterbringung in einem guten Hotel machte die
     Sache zumindest etwas erträglicher.
    Das Zimmer war geräumig, in warmen Farben gestaltet und behaglich eingerichtet. Trotzdem strahlte es die neutrale Leere eines
     Raumes aus, in dem niemand wirklich lebte. Marie stellte eine Tüte Milch, einen plastikverpackten Fertigsalat und eine Laugenbrezel,
     die sie unterwegs in einem Supermarkt
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