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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
Autoren: Linda Holeman
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als ich etwas älter war, so erzählte mir meine Mutter später, hätte ich das Wort » lockig« gebraucht, um zu beschreiben, wie sich die französischen Worte auf meiner Zunge anfühlten.
    Und als junges Mädchen hielt ich mich tatsächlich für ein Wunder. Meine Eltern nährten meinen Irrglauben: dass ich nie etwas Falsches tun könnte und dass alles, was ich wünschte, eines Tages in Erfüllung gehen würde. In materieller Hinsicht hatten sie mir nicht viel zu bieten, aber ich fühlte mich geliebt.
    Und als etwas Besonderes.
    Den ganzen Frühling des Jahres 1916 über, es war ein ungewöhnlich warmer, bildete ich mir ein, in Luke McCallister verliebt zu sein, den Jungen, der in dem Futtermittelladen in der Larkspur Street arbeitete. Seit er einige Monate zuvor in unser Viertel gezogen war, kannten sämtliche Mädchen in meiner Klasse in der Holy-Jesus-and-Mary-Schule kein anderes Gesprächsthema mehr als ihn.
    Wir schlossen Wetten ab, wer wohl die Erste wäre, mit der er sich unterhalten, einen Spaziergang machen oder ein Eis essen gehen würde.
    » Ich werde es sein«, sagte ich zu Margaret und Alice Ann, meinen beiden besten Freundinnen. Immer wieder malte ich mir die Szene im Geiste aus. Gewiss würde es nicht mehr lange dauern, ehe er mich bemerkte. » Ich werde ihn auf mich aufmerksam machen. Ihr werdet schon sehen.«
    » Auch wenn du immer die meisten Tanzpartner hast, heißt das noch lange nicht, dass jeder x-beliebige Junge sich für dich interessiert, nur weil du es dir in den Kopf gesetzt hast, Sidonie«, sagte Margaret mit erhobenem Kinn.
    Ich lächelte sie an. » Vielleicht hast du ja recht. Aber …« Mit den Fingern strich ich mein Haar zurück, rannte ein Stück voraus, drehte mich wieder um und ging, die Hände auf den Hüften, rückwärts weiter, sodass ich ihnen das Gesicht zuwandte. » Aber wir werden sehen«, beendete ich meinen Satz. » Wisst ihr noch, wie es mit Rodney war? Ihr habt mir nicht geglaubt, als ich letztes Jahr auf der Kirmes sagte, ich würde ihn dazu bringen, dass er mich aufs Riesenrad einlädt. Aber er hat mich eingeladen, oder etwa nicht? Er hat kein anderes Mädchen gefragt, nur mich. Und wir sind zweimal mit dem Riesenrad gefahren.«
    Alice Ann zuckte die Schultern. » Weil deine Mutter mit seiner Mutter befreundet ist. Ich wette mit dir, dass sich Luke mit Margaret unterhalten wird. Vor allem wenn sie ihr rosafarbenes Kleid trägt. Rosa steht dir so gut, Margaret«, fügte sie hinzu.
    » Nein, eher wird er dich ansprechen, Alice Ann«, sagte Margaret, die sich von Alice Anns Kompliment geschmeichelt fühlte.
    » Ihr könnt ja denken, was ihr wollt«, sagte ich lachend. » Aber am Ende wird er mir gehören.«
    Sie lachten ebenfalls. » Oh, Sidonie«, sagte Alice Ann. » Du bist mir eine.« Die beiden holten mich ein, und wir verschränkten die Arme ineinander und gingen im Gleichschritt, Hüfte an Hüfte und Schulter an Schulter, weiter die schmale Straße entlang.
    Ich fand zahlreiche Gründe, die Larkspur Street stets aufs Neue entlangzuspazieren, in der Hoffnung, dass Luke zu mir herüberschauen würde, während er mit erstaunlicher Leichtigkeit schwere Getreidesäcke auf einen Wagen hievte. Ich studierte die Worte ein, die ich zu ihm sagen wollte, etwa eine Bemerkung darüber, wie stark er sein müsse, da es bei ihm so aussehe, als seien die Säcke federleicht. Ich warf ihm verstohlene Blicke zu und stellte mir vor, wie sich seine glänzenden Muskeln unter meinen Händen und auf meinem Körper anfühlten.
    Aus dem Unterricht bei den Nonnen wusste ich, dass fleischliche Lüste eine Sünde waren, dass man sie bekämpfen musste, und doch schien ich ihnen ebenso machtlos ausgeliefert zu sein wie dem Wechsel der Jahreszeiten.
    Eines dunstigen Sonntags Anfang Juni betete ich mit solcher Inbrunst zur Heiligen Jungfrau Maria darum, Luke möge sich in mich verlieben, dass ich plötzlich das seltsame Gefühl hatte, aus meinem Körper auszutreten. Bereits am Morgen war ich mit einem steifen Nacken und so starken Kopfschmerzen aufgewacht, dass mir schlecht davon gewesen war. Ich bat meine Mutter, zu Hause bleiben zu dürfen, doch sie ließ sich nicht erweichen.
    Ich war dafür bekannt, mir einen Vorwand auszudenken, um den Kirchgang zu vermeiden.
    Während wir die zwei Kilometer bis zur Kirche Unserer Heiligen Frau gingen, fühlte ich mich, als bewegte ich mich in Wasser und müsste gegen die Strömung ankämpfen.
    In der dämmrigen Kirche erzeugte das Licht, das durch die
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