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Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate

Titel: Der Duft von Safran - Holeman, L: Duft von Safran - The Saffron Gate
Autoren: Linda Holeman
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Buntglasfenster hereinfiel, einen merkwürdigen, aber wunderschönen Wirbel, wann immer ich die Augen bewegte. Mein Körper, normalerweise leicht und geschmeidig, fühlte sich mit einem Mal schwerfällig an, als ich mich neben meine Mutter niederkniete. Und in diesem Moment, da ich die Finger ineinander verschränkte, begann sich alles ringsumher zu vermischen: Der Rosenkranz, der leise klirrend zwischen den geschwollenen Fingern meiner Mutter hindurchglitt, erschien mir wie winzige Kreaturen, die sich bewegten, der Weihrauchgeruch war so überwältigend, dass er meine Übelkeit noch verstärkte, und die Beschwörungen von Pater Cecil waren so wirr, als redete er in einer Fremdsprache. Mein Nacken schmerzte, als ich den Kopf zum Gebet senkte, also ließ ich den Blick zu den Heiligenstatuen wandern, die so fromm und gepeinigt in ihren Nischen an den Wänden standen. Der Marmor, aus dem sie gehauen waren, glühte, wie von innen erleuchtet, und als ich die Mutter Gottes betrachtete, sah ich Tränen auf ihren Wangen, die aussahen wie aus Glas. Die Jungfrau Maria öffnete die Lippen, und ich beugte mich vor, legte das Kinn auf meine Arme, die ich auf der Kirchenbank verschränkt hatte. Meine Knie fühlten sich auf dem Steinboden taub an.
    Ja, Heilige Maria, ja, betete ich, bitte sag mir, was ich tun soll. Sag mir, wie ich Luke dazu bringe, sich in mich zu verlieben. Was kann ich tun, damit er mich begehrt? Ich flehe dich an, Heilige Jungfrau Maria, sag mir, was ich tun soll.
    Das Licht in der Kirche blendete mich mit einem Mal so sehr, dass ich die Augen schließen musste, doch auf der Innenseite meiner Lider erblickte ich die Heilige Jungfrau Maria, die die Arme nach mir ausstreckte. Und ich flog mühelos auf sie zu. Ich segelte durch das Kirchenschiff, über den Beichtstuhl, die Bankreihen, die Ministranten, die Kerzen hinweg. Unter mir auf der Kanzel stand mit gebeugtem Rücken Pater Cecil in seinem Messgewand, und in den Bänken kniete die Gemeinde. Und plötzlich sah ich mich selbst, mit merkwürdig verdrehtem Körper. Die Kirche erstrahlte in seligem Weiß. Da wusste ich, dass die Muttergottes meine Gebete erhört hatte, dass sie mir meine Bitte gewährte, mich würdig befunden hatte für die Erfüllung meines innigsten Wunsches.
    Sie ließ mich Lukes Gesicht erblicken, dann plötzlich flog ich nicht mehr, sondern fiel, doch ich hatte keine Angst, weil mein Körper so frei und unbeschwert war wie die Blätter der Wildrosen, die im Abendwind herabregnen. Ich fiel so langsam wie ein Diamant in stillem Wasser, so leicht wie ein Stern, der durch das dunkle, glänzende Firmament segelt. Ich fiel auf Luke zu, der die Arme ausbreitete, um mich aufzufangen, ein sanftes Lächeln auf dem schönen Mund.
    Ich erwiderte sein Lächeln, und meine Lippen öffneten sich ein wenig, um seine zu berühren. Die Farben und das Licht und die Hitze wurden eins, und eine ungekannte Glückseligkeit überwältigte mich.
    Als ich erwachte, lag ich in meinem kleinen Zimmer. Noch immer blendete mich das Licht, und meine Augen schmerzten, als ich dagegen anblinzelte, um etwas zu erkennen.
    Eine Frau in weißem Kleid stand in der Nähe des Fensters und summte mein liebstes Wiegenlied. Es war lange her, dass ich es zuletzt gehört hatte. Dodo, l’enfant, do. Schlaf, Kindchen, schlaf.
    Zunächst hielt ich die Erscheinung für eine weitere Vision der Jungfrau Maria, die das Wiegenlied sang, mit dem meine Mutter mich als kleines Kind immer in den Schlaf gesungen hatte, doch dann löste sich die Frau vom Fenster, kam an mein Bett und beugte sich über mich. Verwundert bemerkte ich, dass es nur meine Mutter war. Aber mit ihrem Gesicht stimmte irgendetwas nicht; sie sah anders aus als sonst, viel älter. Einen Moment lang kam es mir vor, als hätte ich Monate, wenn nicht gar Jahre geschlafen.
    » Ah. Ma petite Sido«, sagte sie, und ihre Stimme war mir so fremd wie ihr Gesicht. Sie hörte sich hohl an, wie durch Watte gedämpft.
    Ich wollte die Lippen öffnen, aber sie klebten zusammen. Meine Mutter befeuchtete sie sanft mit einem nassen Tuch, ehe sie einen Strohhalm an meinen Mund führte. » Bois«, sagte sie, und ich trank. Das Wasser fühlte sich kalt an und war so wohlschmeckend, als hätte ich nie zuvor davon gekostet.
    Ich musste erneut eingeschlafen sein, denn als ich die Augen wieder blinzelnd aufschlug, hatte sich das Licht im Zimmer verändert, war weicher und voller Schatten, und ich konnte wieder klarer sehen. Meine Mutter stand noch immer
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