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Der Duft von Hibiskus

Der Duft von Hibiskus

Titel: Der Duft von Hibiskus
Autoren: Julie Leuze
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das strohige Haupthaar hatte er wie einen Helm nach hinten gebürstet und die buschigen Augenbrauen missbilligend zusammengezogen. Er trug einen cremeweißen Flanellanzug – jeder in diesem Land schien Weiß zu tragen, bemerkte Emma –, doch während die helle Farbe bei Mr. Flinner elegant gewirkt hatte, sah sie an diesem jungen Mann entschieden seltsam aus. Vielleicht weil sie nicht zu seinen derben schwarzen Stiefeln und dem zerknitterten Hut passte, an dessen hinterem Rand ein Schleier flatterte.
    Ein Mann mit Schleier?!
    Er sagte knapp: »Nackenschutz. Braucht man hier in Australien. Es ist heiß, wie Sie bemerkt haben dürften.«
    Emma senkte rasch den Blick und stammelte: »In der Tat.« Sie war peinlich berührt, dass er ihr Befremden über seinen Aufzug sofort gespürt hatte. Sie hatten sich einander ja noch nicht einmal vorgestellt!
    »Pagel«, sagte der Mann nun, als errate er jeden ihrer Gedanken. »Georg Pagel, Arzt, Botaniker und Zoologe. Mit einer Passion«, er stützte sich lässig auf das Gewehr in seiner rechten Hand, »für die Jagd.«
    »Sehr erfreut, Herr Pagel. Wer ich bin, scheinen Sie ja zu wissen.« Emma schenkte ihm ein freundliches Lächeln.
    »Selbstredend weiß ich das«, schnarrte er. »Sie sind die Pflanzenzeichnerin. Crusius hat uns eine Nachricht zukommen lassen und uns angewiesen, Sie mitzubringen. Scheerer wird nicht begeistert sein, dass Sie sich so verspätet haben.« Vorwurfsvoll runzelte er die Stirn.
    »Scheerer? Wer ist denn das?«, fragte Emma verwirrt.
    »Unser Leiter. Wird Crusius Ihnen doch gesagt haben!«
    Nein, hatte er nicht. Doch das würde sie diesem zackigen Menschen nicht auf die Nase binden, denn er würde sie, vermutete Emma, umgehend in die Schublade »kleines Dummerchen« stecken.
    Sie verlegte sich darauf, vage zu sagen: »Selbstverständlich hat Herr Crusius mir alles mitgeteilt, was vonnöten war. Mir war nur nicht klar, dass er und ich nicht alleine auf Pflanzenjagd gehen, sondern mit, ähm, Scheerer.«
    »Der Forscher und das zarte Fräulein allein im Busch – das ist gut!« Pagel lachte dröhnend. »Noch mehr Jungmädchenträume auf Lager?«
    Langsam fing Emma an, sich zu ärgern. Was dachte dieser Mensch sich eigentlich dabei, sich sofort nach ihrer Ankunft über sie lustig zu machen?
    »Meine ›Jungmädchenträume‹ habe ich schon lange begraben, Herr Pagel, und als zart würde ich mich auch nicht mehr bezeichnen«, sagte sie scharf. »Ich möchte mir hier meinen Lebensunterhalt verdienen. Nur deshalb habe ich das großzügige Angebot des … Bekannten meines Vaters angenommen.«
    Pagel hörte auf zu lachen. »Entschuldigen Sie. Wollte Sie nicht beleidigen.« Er kratzte sich unter seinem Schleier am Nacken. »Sind nicht viel mit Damen zusammen hier unten. Da vergisst man mit der Zeit seine Manieren.«
    »Wie lange weilen Sie denn schon in Australien?«, fragte Emma.
    »Paar Monate«, brummte er.
    Da hat er seine Manieren aber schnell vergessen , dachte Emma, wider Willen belustigt.
    Pagel fixierte nun schweigend einen Punkt irgendwo hinter Emmas linkem Ohr; er schien wenig geneigt, das Gespräch fortzusetzen. Emma brannten tausend Fragen auf der Zunge, doch sie wagte es nicht, den fremden Herrn allzu sehr zu bedrängen. Vielleicht sollte sie es mit einer kleinen Zusammenfassung versuchen. »Unsere Gruppe besteht also aus Ihnen, Herrn Crusius, Herrn Scheerer und mir«, sagte sie.
    »Und Krüger.«
    Emma hob fragend die Augenbrauen, doch Pagel schien nicht bereit, seine im Telegrammstil ausgestoßenen Informationen auszuweiten. Das wurde ja immer verwirrender! Wer war Krüger? Und wie hingen all diese Männer denn nun eigentlich zusammen?
    Da trat ein weiterer junger Mann zu ihnen, der sich bisher abseits gehalten hatte.
    »Guten Tag, Fräulein Röslin, und willkommen in Australien«, sagte er mit leiser, warmer Stimme. »Ich bin Hermann Krüger, Georgs Freund und Kollege. Und ich habe den Eindruck, wir sollten ein wenig Licht ins Dunkel unserer Forschergruppe bringen.«
    »Das klingt gut«, lächelte Emma und setzte verlegen hinzu: »Ich muss gestehen, ich bin nicht ganz auf dem Laufenden. Ich weiß noch nicht einmal, wer Sie beide und Herr Scheerer eigentlich sind.«
    »Wer ich bin? Sagte ich doch schon!«, polterte Pagel los. »Georg Pagel, Arzt, Botaniker und …«
    »Georg, Fräulein Röslin hat eine monatelange Seereise hinter sich, und hier ist alles neu für sie«, unterbrach Hermann Krüger ihn sanft. »Ich schlage vor, wir besorgen ihr
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